Bauschutt statt Bernsteinzimmer
Mythos um ehemaliges Gau-Forum lässt dennoch weitere Fragen offen
Mythos um ehemaliges Gau-Forum lässt dennoch weitere Fragen offen – Bauschutt, lockeres Erdreich und der Vorstoß in die Leere eines verschlossenen Raumes blieben als Ergebnis einer mit Spannung verfolgten Suche nach eventuellen Kunstschätzen in Weimar. Weder von einstigen Nazi-Größen zusammengeraubte Kulturgüter noch unentdeckte Bunker oder geheimnisvolle Kellerräume habe man bei den am Freitag Nachmittag begonnenen Bohrungen an 31 Stellen im Bereich des einstigen Gau-Forums aufspüren können, teilten der Chef der eigens dazu gegründeten interministeriellen Arbeitsgruppe, Dr. Jürgen Seifert, andere Offizielle sowie Vertreter der Weimarer Erkundungsfirma den Medien mit. Und gerade letztere hatte, obwohl durch sehr verhaltene Ankündungen am Vortage schon gebremst, dennoch die Hoffnung auf wenigstens eine kleine Sensation bis dahin nicht aufgegeben.
„Wir haben die absolute Gewissheit, dass sich in diesem Bereich nichts vom Vermuteten befindet. Es gibt hier keine geheimnisvollen Bauwerke, es gibt hier keine geheimnisvoll vergrabenen Kunstschätze, es gibt hier keine Reste der Kochschen Kunstsammlung, und es gibt hier leider schon gar nicht das Bernsteinzimmer“, schloss nach den nur einen halben Tag dauernden Sucharbeiten Dr. Seifert für sich und die anderen Beteiligten mit dem Thema in einem Gespräch mit FREIES WORT ab. Aber auch ein negatives Ergebnis sei ein gutes Ergebnis, denn man wisse nun, was man von dem ehemaligen Gau-Forum zu halten habe, meinte Seifert. Der seit Jahrzehnten damit befasste heutige Rentner und einstige Bauleiter in Weimar, Ernst Stadelmann, und der Historiker und Schriftsteller Wolfgang Schneider haben immer wieder darauf verwiesen, dass hier eventuell Teile der zusammengeraubten Sammlung des einstigen Nazi-Gauleiters von Ostpreußen. Koch, und somit vielleicht auch das seit jenen Tagen ebenso verschollene legendäre Bernsteinzimmer lagern konnten.
Laut Seifert habe man in den meisten Fällen bei den Bohrungen nicht einmal die nach Voruntersuchungen vermuteten Hohlräume gefunden. Meist handle es sich um Auffüllungen aus der Bauzeit, die 1937 begann und 1943 aus Kriegsgründen eingestellt worden war. Das seien Bauschutt, Erdreich und anderes Material gewesen. Lediglich einen freien Raum habe man entdeckt, und zwar in einem Kellergeschoß, von drei Seiten umgehbar und an der vierten Seite mit einer Außenwand. Er sei völlig leer gewesen.
Fragen bleiben auch nach den vergeblichen Bemühungen Stadelmanns noch bis Samstag früh, bei den Expertenteams doch noch die unterlassene Untersuchung der Nordost-Ecke des Gau-Forums zu erwirken. Gerade in diesem Bereich hatte er einige seiner größten Erwartungen gesetzt Noch Anfang der 50er Jahre seien hier bei einem drei Etagen tiefen Lastenaufzugsschacht vermauerte Eingänge ins Gelände der Freifläche sichtbar gewesen. Ende 1953 habe jedoch plötzlich ein Bautrupp diese unterirdischen Zufahrten mit Stahlplatten verschweißt und mit Beton vergossen.
Michael Best
(c) Freies Wort am 09.03.1992