Hitler in Weimar – Der Fall der Klassikerstadt – vom 13.06.2002, 00:00(c) MDR Quelle: Hitler in Weimar
Schon früh entdeckte Adolf Hitler seine Zuneigung zur Stadt der Dichter und Denker. 1925, rund vier Wochen nach der Neugründung der NSDAP, sprach Hitler erstmals in Weimar. Jetzt ist die Beziehung zwischen dem Diktator und den Weimarern untersucht worden.
Die Stadt war geschmückt und „…niemand musste an die Straßen befohlen werden, um Hitler zu begrüßen, die Menschen kamen alle von selbst“ erinnert sich ein Zeitzeuge „…sie kletterten auf Litfasssäulen oder standen stundenlang auf dem Marktplatz, um einen Blick auf den Führer zu erhaschen.“ Die Weimarer liebten den „Führer“ und der „Führer“ liebte Weimar.
Gründe für die häufigen Besuche des „Führers“ – vor allem vor seiner Machtergreifung – gibt es viele: In der Stadt existierten zahlreiche rechtskonservative und völkisch-nationalistische Verbände und Einzelpersonen. Bei ihnen fand der aufstrebende Hitler stets offene Türen und ein offenes Ohr. Eine starke Arbeiterbewegung, die den Nationalsozialisten Widerstand entgegengebracht hätte, gab es in der Kulturstadt nicht. Ein weiterer Grund: Weimar selbst gehörte zu den deutschen Städten, in denen Hitler kein Redeverbot hatte. Die zahlreichen Veranstaltungen der Nationalsozialisten wurden rasch und unbürokratisch genehmigt. Seit Anfang 1930 gab es in Thüringen die erste völkisch-nationalsozialistische Regierung in Deutschland. Sie wurde zur Probebühne für die Machtergreifung im Reich im Jahr 1933. Außerdem war die Stadt zentral in Deutschland gelegen und gut zu erreichen. Als Reichskanzler kam Hitler hauptsächlich nur noch aus Dankbarkeit in die Stadt.
Hitler besuchte zwar das Goethe- und das Schiller-Haus, er zeigte jedoch stets ein ausgesprochenes Desinteresse an den Klassikern. Ihn zog vor allem der Philosoph Friedrich Nietzsche an. Ihm und seiner Schwester galt seine Bewunderung und Verehrung. Mit großzügigen Spenden förderte er nach der Machtergreifung den Bau einer Nietzsche-Gedächtnishalle.
In Weimar und Thüringen hatte Hitler schon sehr früh außerordentlich viele Anhänger und treue Vasallen. Vor allem Schlüsselfiguren des kulturellen Lebens wie Adolf Bartels und Paul Schultze-Naumburg sympathisierten mit Hitler und dessen Ideen. Baldur von Schirach, einer von Hitlers ältesten Gefolgsleuten, stammte aus den gutbürgerlichen Kreisen Weimars. Sie alle ebneten den Weg Hitlers, besaßen sein Vertrauen und knüpften wichtige Verbindungen.
In keiner anderen deutschen Stadt – außer Berlin, Bayreuth, Nürnberg und Berchtesgaden – hielt sich Hitler so oft und so gern auf. Der Historiker Holm Kirsten konnte mindestens 35 Besuche des „Führers“ nachweisen. In seinem Buch „Weimar im Banne des Führers“ untersucht er die Besuche Hitlers und ihre Motivation. Sein Ergebnis: Die Stadt galt als Probebühne für die Umsetzung von Hitlers politischen Ideen und war „Sprungbrett“ der Nationalsozialisten auf dem Weg von München nach Berlin.
Aus Dankbarkeit für die Stadt, die seiner Bewegung auch geistig den Weg bereitete, spendierte Hitler überdurchschnittliche hohe Finanzmittel für nationalsozialistische Prestigebauten. Dafür ließ Hitlers Statthalter in Thüringen, Fritz Sauckel, ganze Stadtviertel abreißen und ein monströses Versammlungszentrum – das Gauforum – bauen.
Hier, im „Herzen Deutschlands“ fühlte sich „der Führer“ wohl und konnte sich sicher fühlen. Auch privat war er gern in der Kulturstadt. Im Theater oder auf ein Käffchen im „Kaisercafe“ oder im „Resi“, flanierend in der Stadt, ohne Bewachung. Bewundernd notierte Goebbels in sein Tagebuch: „Mit Hitler im Kaffee [sic!]. Hier in Weimar ist er Mensch.“
Bei seinen Besuchen logierte Hitler stets im ersten Haus am Platze – dem „Elephant“. Vom Balkon des Hotels nahm er die Huldigungen und die Ehrbezeugungen tausender Weimarer entgegen. Sprechchöre wie: „Lieber Führer sei so nett, komm doch mal ans Fensterbrett“ reimten die begeisterten Menschen.
Kein Wunder also, dass Hitler Weimar liebte. Wolfgang Held, ein alter Weimarer erklärt sich das so: „Das ist wie in einer Beziehung. Wenn man sehr geliebt wird, dann liebt man zurück“.
Literatur:
Holm Kirsten: Weimar im Banne des Führers. Die Besuche Adolf Hitlers 1925 – 1940. Köln 2001. ISBN: 3412031011. EURO 20,50
Volker Mauersberger: Hitler in Weimar. Der Fall einer deutschen Kulturstadt. Berlin 1999. ISBN: 3871343404. EURO 19,90
Jens Schley: Nachbar Buchenwald. Die Stadt Weimar und ihr Konzentrationslager 1937-1945. Köln 1999. ISBN: 3412152986. EURO 17,90
zuletzt aktualisiert: 13. Juni 2002 | 14:39
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