Ich muss noch mal schnell ins Jonastal! – Was wusste die Stasi über das Jonastal? – vom 20.06.2004
Quelle: Arnstädter Stadtecho im Juni 2004
„Ich muss noch mal schnell ins Jonastal!“ – Was wusste die Stasi über das Jonastal?
Der Arnstädter Rolf Grunert beschreibt in seiner Biografie „Der Kriminalkommissar“ auch seine Erkenntnisse über das Jonastal, die mit seinem NS-Vater Wilhelm beginnen, der offenbar ab 1944 in die Geschehnisse stark involviert war. Doch auch die Forschungen der Stasi sind bis heute noch unter Verschluss. „Mein Vater (Wilhelm Grunert) hielt sich in dieser Zeit (ab 1944) fast täglich im Jonastal auf. Ich selbst hörte während meines Vier-Tages-Ur-laubes im Dezember 1944 aus seinem Mund mehrfach den Satz: „Ich muss noch mal schnell ins Jonastal“. Später behauptete er bei offiziellen Vernehmungen, aber auch im persönlichen Gespräch mit mir, steif und fest, weder vom Bau des „Führerhauptquartieres“ noch von den Verbrechen an den Häftlingen irgend etwas gewusst zu haben. Ich habe in den Jahren 1986 bis 1988 (in der DDR) eigene Nachforschungen betrieben, weil ich nicht nur nach Dokumenten und Zeugen suchte, die Aufschluss über meines Vaters „Teilnahmehandlungen“ geben konnten, sondern weil mich die Geschehnisse am Ende des Krieges in unmittelbarer Nähe meiner Heimatstadt einfach in ihren Bann gezogen hatten. …1986 sprach ich mit dem damaligen Vorsitzenden des Rates des Kreises, Herrn Saalfeld….Von ihm erfuhr ich, dass es schriftliche Jonastal-Unterlagen bei der Kreisdienststelle des MfS in der Kaufbergstraße gebe. Dort hielt man sich bei meinen Anfragen allerdings recht bedeckt, und ich erfuhr gar nichts. Kein Wunder, weil dort der Name Grunert „anrüchig“ war und auch in der Kaufbergstraße niemand etwas Genaues über mein neuerliches „Treiben in der DDR“ wusste. Die MfS-Be-zirksstelle in Erfurt zeigte sich aufgeschlossener und ließ mich wissen, dass von dort „streng-geheime“ Nachforschungen im Gesamtkomplex Ohrdruf/Jonastal/Friedrichroda betrieben würden; man wolle mich – „in Abstimmung mit Berlin“ – über Ergebnisse informieren. Ich entschloss mich, eine Schrift zu den „Verbrechen Jonastal“ vorzubereiten. Das wurde mir aber, angeblich auf „höchste Weisung von oben“, untersagt. Es ist schon eigenartig: Angehörige der MfS-Bezirksdienststelle sind noch 1988 mit ausgewählten Sowjet-Offizieren gemeinsam zur erneuten Suche und Aufklärung in die alten, unterirdischen Anlagen des Führerhauptquartieres vorgedrungen. Die Dokumentationen der Tätigkeiten erfolgten unter anderem durch Videoaufnahmen, die wiederum über entsprechende Fernleitungen in einen Spezialwagen des MfS übertragen wurde. In diesem Beobachtungs- und Dokumentationswagen saß neben anderen DDR- und Sowjetoffizieren ein Major von der MfS-Bezirksdienststelle Erfurt. Von ihm hörte ich eines Tages, dass die Aktion auf „Berliner und Moskauer Befehl“ abgebrochen und sämtliche Unterlagen, auch diejenigen aus Arnstadt und Erfurt, im Berliner „MfS-Mutterhaus“ abgeliefert werden mussten. Ich gehe davon aus, dass diese Materialien – falls sie 1989/90 nicht noch nach Moskau gebracht werden konnten – sich jetzt im Besitz deutscher Dienststellen befinden.“