Luftkampf über Thüringen im Herbst 1944 – Zeitzeugen gesucht – vom 20.08.2004
Thüringer Waldbote – Ausgabe Nr. 19 Jahrgang 14 am 20.08.04
Überschrift: Zeitzeugen gesucht
Es ist der 11.09.1944, 11:30 und die Luft ist klar über Luisenthal. Etwas jedoch stört diesen vermeintlichen Frieden. Die Bewohner Luisenthals und benachbarter Orte sehen, was sich rund 5000 m über ihnen ereignet. Es ist der Beginn einer Luftschlacht, an deren Ende 84 junge Menschen ihr Leben lassen. Die Leute am Boden sehen, welche Tragödie sich am Himmel über dem Thüringer Wald abspielt. Brennende Flugzeuge stürzen zu Boden, Bordwaffenfeuer dröhnt und man sieht die Fallschirme derer, die gerade noch ihr brennendes Flugzeug verlassen können. Ein Flugzeug vom Typ ME-109 stürzt direkt am Ortseingang Luisenthal in den Wald. Es ist die Maschine des Unteroffiziers Jakob Cryns von der 2ten Sturm/ 3te Gruppe Jagdgeschwader 4 – Fliegerhorst Welzow. Er ist abgesprungen, jedoch aus zu niedriger Höhe. Sein Schirm verfängt sich in den Bäumen und Jakob Cryns schlägt mit dem Kopf gegen einen Baum. Er ist sofort tot. Sein Grab befindet sich heute auf dem Oberhofer Friedhof. Aber das war erst der Anfang. Viele junge Menschen ließen ihr Leben in diesen Minuten. Die Frage nach dem wofür kann man nur teilweise beantworten. Nicht jeder deutsche Soldat war ein „Stauffenberg“, aber jeder war ein Soldat. Daher denke ich, dass auch jeder Gefallene ein Grab verdient hat. Nicht anders ist es bei den Alliierten. Diese jungen Menschen waren keine eiskalten Bomberpiloten oder Killer. Sie gaben ihr Leben für unsere Freiheit und die Beendigung einer Diktatur. Mit Politik hat diese Arbeit sowieso nichts zu tun. Denn hier geht es um Humanismus und nicht um „gut oder böse“. Aber zurück zum 11. September 1944. Nun stürzten auch Günther Mechau (JG4), Crawford (55thFighterGroup-339 Figthersquadron der 8ten USAAF), William M. Lewis (55thFighterGroup-339 Figthersquadron der 8ten USMF) und Johann Roth (JG4) ab. Keiner von ihnen war älter als 24. Allein um Oberhof stürzten in diesen Minuten 6 deutsche ME 109 und 2 amerikanische P51-Mustang ab. Das Resultat waren 5 Tote auf deutscher Seite und 2 Tote auf amerikanischer Seite. Der sechste deutsche Pilot war Unteroffizier Wohlgemut. Er sprang ab und riss sich dabei einen Arm ab. In einem kleinen Wäldchen nahe bei Crawinkel hing er in einem Baum und wurde gerettet, überlebte den Krieg und verstarb 1999. Die Flugzeugabsturzstelle ist jedoch bis heute unbekannt.
Vielen konnten wir ihr Gesicht wiedergeben und haben sie aus der Anonymität des kalten Feldgrabes geholt. Wir konnten die Überreste der Toten bergen. Wie geht so etwas? Nur mit der Hilfe von Zeitzeugen, Archivmaterial und der Flugzeugseriennummern, die ich an den Aufschlagstellen fand. Diese Seriennummern verraten mir anhand von Archivmaterial, wer zuletzt mit diesem Flugzeug geflogen ist. Das ist sehr wichtig, da manchmal mehrere Flugzeuge sehr eng aneinander abstürzten. Leider kommt es auch vor, dass es kein Archivmaterial gibt. Da helfen dann oft nur noch Zeitzeugen. Der Monat oder das Jahr ist dann der ausschlaggebende Punkt.
Jedoch sind noch viele Fragen offen. Damit auch in Zukunft kein Fall ungeklärt bleibt, bitte ich besonders die ältere Generation, mir Hinweise zu möglichen Abstürzen im Landkreis Gotha / Oberhof / Suhl zu geben. Denn bedenken Sie, es gibt immer noch Angehörige, die gerne wissen möchten, wo ihre Lieben geblieben sind. Es waren schließlich junge Menschen, die ihr Leben gaben. Zeigen wir Ihnen, was sie uns auch heute noch Wert sind. Denn im Tod sind alle gleich. Übrigens weihen die Stadt Oberhof, die US. AIR Force und das Museum Kovarska am 12.09.2004 in der Nähe von Oberhof einen Gedenkstein für die gefallenen Piloten ein. Anwesend sind Veteranen dieser Luftschlacht aus den USA und Deutschland sowie die Tochter des Piloten Lewis. Dieser war vermisst und wir konnten ihn finden und bergen.
Matthias Leich
leichm@freenet.de