Crawinkel/ Hildburghausen: Radioaktive Grenzwerte überschritten – Wildschweine in zwei Gebieten des – vom 16.11.2004
Quelle: Freies Wort 16.11.2004
Wildschweine in zwei Gebieten des Thüringer Waldes unter der Lupe
ERFURT/HILDBURGHAUSEN – Fast zwei Jahrzehnte nach dem Supergau von Tschernobyl sind auch im Freistaat die Folgen noch deutlich zu spüren. Während die amtlichen Lebensmittelkontrolleure für Pilze und Waldfrüchte Entwarnung geben, sieht es beim Wild anders aus. Bei Wildschweinen werden die Grenzwerte für radioaktives Cäsium teilweise deutlich überschritten. Von den im vergangenen Jahr untersuchten 146 Tieren war dies bei zehn Prozent der Fall. In diesem Jahr stehen bislang 7,4 Prozent zu Buche.
„Allerdings ist diese Kontamination auf zwei eng begrenzte Gebiete im Thüringer Wald zu reduzieren“, sagt Karin Schindler, Referatsleiterin im Thüringer Sozialministerium. Aus diesem Grund gebe es dort eine generelle Untersuchungspflicht für erlegtes Schwarzwild, dessen Fleisch in den Verkehr gebracht werde.
Betroffen ist jeweils ein Gebiet in den Räumen Hildburghausen und Crawinkel. In allen übrigen Wäldern Thüringens werden weiterhin Stichproben untersucht.
Jäger, die Wild für den Eigenbedarf erlegen, müssen das Fleisch allerdings nicht untersuchen lassen. „Sie sind nicht dazu verpflichtet. Wir können aber dazu nur raten, zumal dem Jäger keine Kosten entstehen“, so Schindler. Dass dies allerdings mit einem Mehraufwand verbunden sei, wisse man. Schließlich dauere es zwei bis drei Tage, ehe ein Ergebnis vorliege. Außerdem würden für solch eine Untersuchung anderthalb Kilogramm Muskelfleisch benötigt, das dann am Ende bei der Verwertung des Wildes natürlich fehle.
Offenkundig wurden die in Einzelfällen hohen Belastungswerte vor drei Jahren. „Nachdem jahrelang sämtliche Untersuchungen keine Werte an radioaktivem Cäsium ergeben hatten, ist im Jahr 2001 erstmals ein erhöhter Cäsiumwert bei einem erlegten Wildschwein gemessen worden. In diesem Gebiet wird seitdem verdichtet untersucht. Das zweite betroffene Terrain fiel durch Untersuchungssergebnisse der Umweltüberwachung aus Bodenproben auf. Die daraufhin gezielten Kontrollen beim Schwarzwild erbrachten auch hier erhöhte Cäsiumgehalte“, heißt es aus dem Sozialministerium. Die Unterschiede beispielsweise zum Rehwild beruhen vor allem im Ernährungsverhalten. Im Schnitt liegen die Problemfälle im Freistaat bei 800 bis 1000 Becquerel je Kilogramm (Bq/kg) Wildschweinfleisch. Der Grenzwert beträgt 600. Die bislang höchste Marke, die je im Land Thüringen gemessen wurde, lag bei 5459 Bq/kg.
Thüringen steht mit dieser Belastung bundesweit freilich nicht alleine da. Viel stärker betroffen ist beispielsweise Bayern. Hier wurde bislang beim Wild ein Spitzenwert von knapp 65 000 Bq/kg gemessen.
Obwohl im vergangenen Jahr 15 Wildschweine und 2004 bislang sechs Stück aus dem Verkehr gezogen und in der Tierkörperbeseitigungsanlage Elxleben entsorgt wurden, sieht das Sozialministerium „insgesamt keinen Anlass zur Besorgnis“. „Sofern Wildbret in den üblichen Mengen verzehrt wird, bestehen auf Grund der in Thüringen gemessenen Radioaktivitätswerte keine gesundheitlichen Bedenken“, versichert Schindler.
Das Bundesamt für Strahlenschutz liefert eine Vergleichszahl: Wer 200 g Pilze mit 4000 Bq/kg verspeist, hat die gleiche Strahlenbelastung wie bei einem Flug von Frankfurt nach New York und zurück. Die Behörde rät allerdings auch, dass jeder, der seine persönliche Belastung verringern möchte, eben auf den Genuss dieser Lebensmittel verzichten sollte. (ana)
Bildunterschrift bzgl. einer „Wilden Sau“: Ihr Fleisch sollte vor dem Verzehr besser untersucht werden: Zumindest in zwei Thüringer Regionen wurden erhöhte Cäsiumwerte bei Schwarzkitteln gefunden. – FOTO: dpa