TrÜbPl Ohrdruf – Nur noch kleine Kaliber – vom 29.11.2006
Quelle: Thüringer Allgemeine für den Ilmkreis
Nur noch kleine Kaliber
OHRDRUF (gs). Die Kettenspuren sind längst zugewuchert, der letzte Schuss aus einer Panzerkanone ist eineinhalb Jahrzehnte her. Auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf sind 20 Millimeter-Geschosse das „dickste Kaliber“. Aber selbst deren Tage sind gezählt. Die Anwohner wird es freuen. Auch wenn schon lange kein Irrläufer mehr außerhalb des Übungsgeländes landete.
Es ist ruhiger geworden auf und um den Truppenübungsplatz. Unmittelbar nach der Wende gab es massive Forderungen, den Platz zu schließen. Vor zwei Jahren, als solche Planspiele im Bundesverteidigungsministerium diskutiert wurden, gab es massiven Protest. Die anliegenden Kommunen und Kreise fürchteten einen herrenlosen Platz. Schließlich ziehen das angeblich in den Stollen unter dem Platz versteckte Bernsteinzimmer und die Legenden über hier angeblich getestete Geheimwaffen immer wieder „Forscher“ an. „Die flexen schon mal Stahlgitter auf und kriechen in die Stollen“, weiß Platzkommandant Andreas König zu berichten.
Der Hauptmann ist nach eigener Aussage Chef „eines Servicebetriebes der Bundeswehr“. Das klingt ebenso wenig militärisch, wie der zivile Wachdienst am Eingang zum Gelände wirkt. Beim Anblick eines Reisebusses, der Soldaten zu einer der Schießbahnen bringt, runzelt der 54-Jährige die Stirn.Wie war das noch? Er sei noch in eine andere Armee eingetreten, hatte der gebürtige Westfale kurz vorher – allerdings in einem anderen Zusammenhang – gesagt.
Für ihn ist Ohrdruf sein wohl letztes Kommando und er wird als letzter Platzkommandant in den Ruhestand gehen.
Eine Umstrukturierung steht bevor. Der Betrieb auf dem 4700 Hektar großen Areal wird auf zwei Schießbahnen und auf den Gebrauch von Übungsmunition reduziert, erklärt er beim Besuch von Ilmkreis-Landrat Benno Kaufhold. Scharf geschossen werde ab Mitte 2007 nur noch mit Handfeuerwaffen und auch nur noch auf den Schießständen. Militärisches Personal wird abgebaut, über die Zahl der Zivilbediensteten sei noch nicht entschieden. Es ist mehr als nur Wehmut, was da in den kurzen präzisen Sätzen mitschwingt.
Der Platz verfügt über modernste Ausbildungstechnik. Hier werden unter anderem Einheiten, die für den Auslandseinsatz vorgesehen sind, auf diese Aufgabe vorbereitet. Der Platz biete dafür beste Bedingungen und werde auch deshalb gerne genutzt. Eine Auslastung, von der andere Platzkommandanten nur träumen könnten.
Das Sagen hat ab 1. Juli 2007 für Ohrdruf die Platzkommandantur in Wildflecken. Das mache es nicht einfacher, meint König, „aber es ist befohlen.“ Das Übungsgelände wird mit Sicherheit leerer werden, Anlagen demontiert und auf andere Standorte verlagert.
Ein paar „harte Ziele“ hat er bei Übernahme mitgebracht. Ausgediente Schützenpanzerwagen HS 30 aus der Gründerzeit der Bundeswehr . Ein anderer Veteran steht etwas abseits. Ein amerikanischer Sherman-Panzer aus dem 2. Welt- krieg, identifiziert König das Stahlwrack ohne Ketten und mit abgesägtem Kanonenrohr. Fast schon ein Denkmal.
Andere erinnern an dunkle Zeiten des Truppenübungsplatzes. Der so genannte Franzosenfriedhof, auf dem Tote des Kriegsgefangenenlagers aus dem 1. Weltkrieg beigesetzt sind. Eine Glocke neben einem noch zu erkennenden Fundament von KZ-Baracken, die beiden Massengräber, in denen 5000 Häftlinge des Konzentrationslagers bestattet wurden. Noch immer finden sich Verwandte der Toten ein, die erst durch lange Recherchen die letzte Ruhestätte heraus gefunden haben, erzählt der Platzkommandant. Die Gedenkstätten wurden allesamt hergerichtet, werden gepflegt. Für Hauptmann König Ehrensache.
Seine Tage in Uniform sind gezählt. Er wird gehen und dennoch bleiben – quasi in Sichtweite des Truppenübungsplatzes. Dass er einmal Thüringer werden würde, damit hat er wahrlich nicht gerechnet, als er in die „andere Armee“ eintrat..
28.11.2006