Ein gefährlicher Ausflug vor 68 Jahren

 

Thüringer Allgemeine

Leserbrief: Ein gefährlicher Ausflug vor 68 Jahren

Burkhard Neul aus Wölfis erinnert sich an die Lebensgefahr der letzten Kriegstage.
Angesichts der nicht verstummenden Diskussionen und Spekulationen um einen angeblichen Atombombenversuch, welcher Größe auch immer, auf dem Truppenübungsplatz, den es nach meinem Erleben und den Aussagen auch anderer Zeitzeugen aus Wölfis und Röhrensee nicht gegeben haben kann, möchte ich ein kleines Erlebnis schildern, das in gewisser Weise auch ein Stimmungsbild aus Wölfis im März 1945 abgibt. Zu bemerken ist noch, dass ich diese Geschichte bereits zu DDR-Zeiten aufgeschrieben habe, wo noch keiner von Atombombenversuchen sprach:

„März 1945, ein schöner März, und die letzten Wochen des „Dritten Reiches“, jedenfalls für Wölfis. Ich war am 6. März, also genau vier Wochen nach meiner Verwundung am Gothaer Bahnhof, aus dem Krankenhaus entlassen worden und laut Bescheid vom WBK (Wehrbezirkskommando) Gotha bis August 45 vom Wehrdienst zurückgestellt. Obwohl sich die Amerikaner unaufhaltsam auch Thüringen näherten und bei günstigem Wind schon „Frontgeräusche“ zu hören waren, die man aber keinesfalls als solche deuten durfte, ging das Leben im Dorf seinen fast normalen Gang.

Wir hatten einen Schein für Brennholz von der Heeroberförsterei Ohrdruf erhalten. Das Holz war im Tambuch (Jagen 11) abzuholen. Es galt einen Fuhrmann zu organisieren. Brückners Artur war bereit zu fahren. Er hat mit seinem Pferd oft für uns gearbeitet. Bei strahlend blauem Himmel fuhren wir Richtung Übungsplatz los. Das schöne Wetter hatte natürlich auch seine Nachteile. Tiefflieger beherrschten in diesen Tagen den Himmel.

Erst kürzlich gab es viele Tote und Verletzte, als ein Personenzug bei Emleben beschossen wurde. Sie tauchen urplötzlich auf und schießen auf alles, was sich bewegt. Wir befanden uns gerade im freien Gelände, zirka 1,5 Kilometer vom schützenden Wald entfernt, als plötzlich so ein Jagdflugzeug, wohl ein „Mustang“, auf uns zukam. Arturs Pferd war ein Schimmel und so sicher noch leichter auszumachen. Wir versuchten, im Galopp den Wald zu erreichen, während uns das Flugzeug im Tiefflug umkreiste.

Beide hatten wir panische Angst und rechneten jede Sekunde mit Beschuss. Doch der Pilot schien noch etwas Menschlichkeit zu haben. Er ließ von uns ab noch bevor wir den Wald erreicht hatten. Erst in der Abenddämmerung wagten wir den Heimweg. Wieder einmal davongekommen.“

Die wirklichen Gefahren gingen also damals nicht vom Truppenübungsplatz aus, der in diesen Märztagen besonders ruhig erschien, es fanden keine wahrnehmbaren Aktivitäten statt und man konnte unkontrolliert kreuz und quer den Platz begehen.

Die Gefahr kam aus dem Westen und fand, für Wölfis, ihren vorläufigen Abschluss mit dem Einzug der Amerikaner am 6. April 1945.

Burkhard Neul, Wölfis

25.03.13 / TA

Quelle: http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/Leserbrief-Ein-gefaehrlicher-Ausflug-vor-68-Jahren-525043202

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