60 JAHRE NACH DEM MORDEN – Entschuldigung des Gothaer Landrats – vom 09.11.2004
Quelle: Freies Wort vom 09.11.2004
60 JAHRE NACH DEM MORDEN
Entschuldigung des Gothaer Landrats
ESPENFELD – Vertreter des Ilm-Kreises, des Landkreises Gotha, Mitglieder von Opferbünden und interessierte Bürger gedachten am 7. November, 60 Jahre nachdem das Außenkommando S III von den Faschisten gegründet worden war, auf dem Ehrenfriedhof nahe Espenfeld der Opfer.
Geheime Waffenproduktion, versteckte Schätze, Führerhauptquartier – um die Stollen im Jonastal ranken sich mittlerweile Gerüchte, Legenden und Spekulationen. All zu leicht werden dabei aber die Häftlinge vergessen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen das Stollensystem im Muschelkalk schufen. Wider das Vergessen wurde genau 60 Jahre nachdem das sogenannte S III zunächst auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf, später auch in Crawinkel, Espenfeld und dem Jonastal neue Tote brachte, gemahnt.
Die weiteste Reise hatte Victor Wyschelslawski aus Moskau angetreten. Als 17-Jähriger schuftete er im Lager und überlebte. Viele Tausende – Juden, Sinti und Roma, Angehörige vieler Nationen, auch Deutsche – starben in Folge von Unterernährung, unmenschlichen Lebensbedingungen und den Strapazen brutalster Sklavenarbeit.
Nun mahnte Wyschelslawski die Jugend, gegen Nazismus, Faschismus und Terrorismus zu kämpfen. Der Frieden sei nach wie vor in Gefahr, man müsse aufpassen. „Glockenklang allein reicht nicht“, sagte auch Dr. Helga Raschke, die seit vier Jahrzehnten die Geschichte des S III erforscht. Noch zu vieles liege im Dunkeln, sagte sie, während Dr. Harry Stein von der Gedenkstätte Buchenwald im Hinblick auf Filme wie der „Untergang“ mahnte, sich nicht nur jene Vergangenheit zu suchen, die passend sei. Die Wirklichkeit des Untergangs habe sich nicht in einem Luxusbunker in Berlin gezeigt, sondern unter den menschenverachtenden Umständen in Lagern wie dem S III. Über 7000 ermordete Menschen seien eben nichts für bequeme Kinosessel. Aber er habe Sorgen, dass die Qualen, die die Häftlinge erdulden mussten, angesichts der Suche nach Sensationen, in Vergessenheit gerieten.
Dabei sei die Erde zwischen Ohrdruf, Crawinkel und Arnstadt mit dem Blut und dem Schweiß Tausender getränkt. „Für das unermessliche Leid, dass Sie erlitten haben, möchte ich mich im Namen der Menschen dieser Region entschuldigen“, sagte Dr. Siegfried Liebezeit, Landrat des Landkreises Gotha. Es müsse gelingen, künftige Generationen für das Thema zu sensibilisieren. Dass dies nötig ist, machte ein Blick auf die Anwesenden deutlich. Zwar hatten sich über einhundert Gedenkende eingefunden, doch junge Leute fand man nur wenig.
Mit einer Kranzniederlegung gedachte man der Opfer. Anschließend besuchte man das Mahnmal im Jonastal und das Dokumentationszentrum der Geschichts- und Technologiegesellschaft Jonastal in Wölfis. Ein Vortrag in der „Goldenen Henne“ rundete den Tag ab. (br)