Leipziger Privatdetektiv vermutet Versteck im Poppenwald im Erzgebirge / Suchbegeisterung aus Lokalpatriotismus
Aue. Hier liegt es also, das „achte Weltwunder“. 10, 20, vielleicht auch 30 Meter unter dem muffigen Buchenlaub. Der Mythos Bernsteinzimmer lebt hier im Poppenwald. Denn dass die sagenumwobene Kostbarkeit des Preußenkönigs Friedrich I. unter eben jenen Wurzeln verscharrt wurde, daran hat der Leipziger Privatdetektiv Dietmar B. Reimann keinen Zweifel. Doch der rührige Reimann geht noch weiter: Im Vergleich zu seiner weiteren Vermutung wäre das Bernsteinzimmer allenfalls „Peanuts“. Und dann rückt die Spürnase mit seinem Rechercheergebnis heraus: Unterm Poppenwald, da ruht auch ein Großteil des verschollenen Hohenzollern-Schatzes.
Das klingt unglaublich. Doch weder das offensiv vermarktete Deutschneudorf noch die lange favorisierten Verstecke Jonastal und Weimar können mit besseren Bernsteinzimmer-Geschichten dienen. Immerhin hören sich Reimanns Beweise schlüssig und damit buddelwürdig an. Er kombiniert historische Fakten, regionalgeschichtliche Ereignisse sowie Mythen aus der Welt der Geheimorden. Dieses Puzzle führt zu einem Zweig der Freimaurerei und rankt sich um die preußische Großloge „Zu den drei Weltkugeln“, die nach Hitlers Machtergreifung zum Nationalen Christlichen Orden „Friedrich der Große“ wurde, um im freimaurerfeindlichen NS-Regime zu überleben. Ziel blieb die Reinstallierung der Monarchie. Ort der Krönung sollte der Teil des Westerzgebirges sein, der als Freie Republik Aue-Schwarzenberg in die Geschichte einging, da es nicht von den Amerikanern besetzt wurde.
Zwei Drittel des Preußen-Schatzes, vor Kriegsende aus dem holländischen Exil abtransportiert, gelten bis heute als verschollen. Darunter die Kronjuwelen. Nach dem Krieg soll das Königshaus eine unbekannt gebliebene Versicherungssumme erhalten haben weshalb die Nachkommen nur marginales Interesse am Auffinden des Restes haben. Die Indizienkette wurde dennoch vom Thronfolger der Hohenzollern, Georg Friedrich Ferdinand von Preußen, im vergangenen Jahr geadelt. Allerdings beteiligt sich das Königshaus weiterhin nicht an der Suche.
Auch deshalb hat der Rechtsanwalt Jens Hartmann aus Schlema zur Unterstützung Reimanns den „Sächsischen Verein zur Suche und Rückführung verschollener Kulturgüter“ gegründet. Der Leipziger Privatdetektiv und weitere zwei Dutzend moderner Schatzsucher von Bergbau-Experten über Bürgermeister bis zu Bauunternehmern hatten nämlich festgestellt, dass sich über einen Verein durch dessen steuerliche Verrechnungsmöglichkeiten viel besser Sponsoren für die aufwändige Suche finden lassen. Denn: Gibt es das Versteck bei Niederschlema wirklich, so ist es ohne teure Sondierung und Erdbewegung kaum zu finden. Ein Beispiel: Eine 20-Meter-Bohrung, die Hohlräume im Berg aufspürt, kostet satte 2500 Euro; für das Untersuchen eines Hektars Poppenwald sind mithin stolze 25 000 Euro zu berappen. Wenn hundert Leute fünf Euro geben, seien das ja auch 500 Euro, rechnet Reimann vor. Daraus lässt sich erahnen, in welchen finanziellen Dimensionen hier gedacht wird. Immerhin hat sich im 87 Hektar umfassenden Poppenwald bislang eine 16 Hektar große heiße Such-Zone herauskristallisiert.
Entgegen allen Erwartungen ist der Verein aber kein Sammelbecken von Glücksrittern, die auf das große Geld hoffen. Jens Hartmann: „Wir machen das aus Lokalpatriotismus. Wenn sich herausstellt, dass Reimann Recht hat, würde das für unsere Region einen enormen Aufschwung bedeuten.“ Das Gleiche gilt in etwa auch für den Privatdetektiv selbst. Finderlohn erwartet er jedenfalls nicht. Wem der Schatz später gehört, werden wohl die Gerichte entscheiden müssen, meint Reimann. Finanziell rentieren soll sich das Suchen (respektive Finden) durch Buch- und Filmrechte. Doch so recht mag diese Berechnung eigentlich nicht zum liebenswerten Reimann passen, der so lange und so schön Geschichten erzählt.