Das Barockschloss zu Griesheim bei Stadtilm – Atomforschung in Thüringen – vom 23.06.2004
Thüringer Allgemeine – Mittwoch, 23. Juni 2004
Von Thomas BIENERT
Bislang wenig erforscht und publiziert ist das Schicksal thüringischer Schlösser und Herrenhäuser im 20. Jahrhundert. Neben der beeindruckenden Kirche Griesheims stand in dem kleinen Ort bei Stadtilm einst ein großes Barockschloss.
Maria Magdalena überragt den gesamten Ort. Die Kirche, eine der ältesten und schönsten in Thüringen, ist heute das Wahrzeichen von Griesheim. Ihre romanischen Türbogenfelder haben Formen der berühmten Klosterkirche Paulinzella zum Vorbild. Stifter waren die seit dem Jahr 1133 urkundlich bekannten Herren von Griesheim. Obwohl Lehensmannen der Schwarzburger Grafen und Burgvögte in Ilmenau, wahrten sie lange eine gewisse Eigenständigkeit. Doch wo lag der Stammsitz der Griesheimer? Direkt hinter der Kirchhofmauer fällt ein kahles, terrassenartig abgestuftes Plateau steil zum Ort ab. Hier stand die alte Burg und später ein großes Barockschloss. Aufständische Bauern hatten die Burg, über deren Aussehen nichts bekannt ist, 1525 in Mitleidenschaft gezogen.
Über das Schloss indes gibt es einige Informationen: Die in einen oberen und einen unteren Hof geteilte Anlage wurde von verschiedenen adligen Pächtern bewirtschaftet und immer wieder umgebaut. Im Jahr 1751 ging sie an den herzoglich-württembergischen Kammerherrn Carl Joseph von Hoheneck, nach 1918 war sie Staatsdomäne. Der letzte Pächter bis zum Jahr 1945 war die Familie Jordan. Inwiefern die Nationalsozialisten das Schloss genutzt haben, ist bis heute nicht vollständig erforscht.
Fest steht, dass sie intensive Kernforschungen betrieben haben. Neben den bekannten Physikern Heisenberg und Hahn zählte auch Kurt Diebner zu den Forschern. Er leitete die Versuchsstelle des Heereswaffenamtes in Berlin, zog bald aber mit seiner Familie ins Griesheimer Schloss. Denn nachdem die Versuchsstationen in Peenemünde durch die Alliierten bombardiert worden waren, baute man ein neues Labor in den Kellern der Mittelschule in Stadtilm. Es ist bis heute ungeklärt, ob nicht auch die Keller des Schlosses Griesheim zu Versuchen genutzt wurden.
Im Frühjahr 1945 wurde das Labor nach Bayern verlegt. Ein nach den Wissenschaftlern suchendes amerikanisches Kommando durchwühlte deren Hinterlassenschaften und das gesamte Schloss. Es fand jedoch nichts Verwertbares und machte sich aus Enttäuschung über den Weinvorrat her.
Kurt Diebner wurde erst im Mai 1945 bei München verhaftet. Und nachdem er einige Zeit in England einsitzen musste, lebte der Physiker später als Unternehmer in Hamburg. Die Domäne wurde im Zuge der Bodenreform aufgeteilt. Im leer stehenden Schloss bediente man sich am Baumaterial. Diesen Teilabbruch stoppten die sowjetischen Behörden zeitweilig. Im Mai 1948 verfügten die Denkmalschützer den Erhalt der teilweise abgetragenen Kirchhofmauer. Einzelne Bürger und auch der Pfarrer baten etwas später die Denkmalschützer, das Schloss und dessen Inventar zu erhalten, darunter einen wertvollen Kachelofen von 1731.
Dennoch ordnete der Minister des Innern am 2. März 1949 den Abriss des intakten Schlosses an. Zuvor transportierten noch am 5. April 1949 Mitarbeiter des Schlossmuseums Arnstadt drei wertvolle Barocköfen, diverse Schränke sowie die Löwenfiguren der Freitreppe ins Depot ab.
Außer den verbauten Resten der ehemaligen Wirtschaftsgebäude erinnert heute nichts mehr an diese Geschichte.