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Der berühmteste Eisenbahnwagen der Welt
Die Odyssee des Speisewagens Nr. 2419 D
Im Frühjahr 1914 verlassen 42 neue Speisewagen der ISG die Werkstätten von Saint-Denis in Frankreich. Darunter Wagen Nr. 2419D in gediegener luxuriöser Bauausführung: Lackiertes Teakholz, polierte Bronze, weißes gewölbtes Dach mit Laternenaufbau. An den Seiten Gesellschaftswappen und die erhabenen Buchstaben des Gesellschaftsnamen INTERNATIONALE DES WAGONS LITS ET DES GRAND EXPRESS EUROPEENS.
Er beginnt seine Laufbahn auf den französischen Strecken von Paris nach Laval, Saint Breuc, Bordeaux u. a. Am 7.10.1918 erfolgt eine Anweisung des französischen Kriegsministeriums, einen Sonderzug für Marschall Foch einzurichten. Genaue Anweisungen zur Ausstattung (langer Tisch für Landkarten, Schreibabteile, Fernmeldeeinrichtungen etc.) sind enthalten. »Es sind dem Marschall alle Bequemlichkeiten zu schaffen, um ihm die erdrückende Aufgabe zu erleichtern…« Am 28.10.1918 verließ der Waggon das Werk, seine schicksalhafte Fahrt durch die Jahrzehnte begann.
Der 7. November 1918. Im herbstlichen Wald von Compiegne vereinigen sich zwei Eisenbahngleise, auf einem steht bereits der Salonwagen des Marschalls. Gegen Abend triff t der Sonderzug des deutschen Bevollmächtigten Staatssekretär Erzberger ein. Am Tag darauf beginnen die Verhandlungen, der Regen trommelt auf die Waggondächer. Am 1,5 mal 2,5 m messenden Tisch stehen zehn Stühle. Vier Tage dauern die Verhandlungen. Am 11.11.1918 frühmorgens 7.30 Uhr stellt sich Foch, das Original des Vertrages in der Aktenmappe, im Kreis der alliierten Unterzeichner den Photographen. Das Bild des Wagens 2419 D geht in die Weltgeschichte.
Nach weiteren Waffenstillstandssitzungen in den folgenden Monaten im Eisenbahnwagen, mustert ihn das französische Kriegsministerium im September 1919 aus. Was soll nun aus dem Waggon werden? Der Präsident der ISG schlägt eine Rundreise, gewissermaßen eine Ehrenrunde, durch verschiedene Länder bis nach Nordamerika vor. Dann tritt ihn die ISG an die französische Regierung ab; es soll Nationalgut werden, eine Gedächtnisstätte des Sieges. Restauriert und ausgeschmückt bewegt sich der Waggon am 27.4.1921 nach Paris und durch die Straßen der Stadt zum Invalidendom. Im Ehrenhof findet er Aufstellung hinter 20 er beuteten Kanonen. 1924 schreibt General Mariaux, Direktor des Armeemuseums, daß sich durch die Witterung der Zustand des Wagens verschlechtere. Zeitungen setzen sich für den Stolz der Nation ein, andere äußern sich kritischer. Der Waggon jedoch verkommt.
1927 besucht Arthur Henry Fleming aus Kalifornien den Bürgermeister von Compiegne. »Was kostet es, den Wagen zu retten und sicher in Ihrem Wald unterzubringen? 150.000 Franc, mein Herr. – Gut, ich werde es bezahlen.« Am 11. November 1928 weiht Marschall Foch die Gedenkstätte im Wald von Compiegne ein. Es folgen 11 Jahre der Ruhe. Am 20. Juni 1940 zerreißt eine Explosion eine Wand der Gedenkstätte, der Waggon wird von deutschen Soldaten genau auf den Platz geschoben, an den er am 11.11.1918 stand. Am 22.6.1940 besteigen Hitler, Göring, Heß und Keitel den Wagen, einige Zeit später die Delegation der Besiegten. Das gedemütigte Frankreich muß umWaffenstillstand bitten. In sieben Minuten ist der Vertrag abgeschlossen. Der amerikanische Journalist Williams Shirer befand sich in Begleitung des »Führers« und sah, »wie sein Gesicht Haß, Verachtung, Rache und Triumph widerspiegelte, als er auf einen Gedenkstein zuging, der die genaue Stelle bezeichnete.« Hitler befahl die Gleisanlage zu zerstören und den Waggon nach Berlin zu bringen. Eine Woche ist nun das Beutestück vor dem alten Museum im Lustgarten zu besichtigen, dann wird er in einem Reichsbahnschuppen abgestellt. 1944 beginnt der Transport durch Deutschland, Ziel ist eine kleine Stadt in Thüringen, Ohrdruf.
Der französische Eisenbahnhistoriker Jean des Oars schreibt: Als im Jahre danach amerikanische Panzer in Ohrdruf einmarschieren, sprengte eine Abteilung der SS auf ausdrücklichen Befehl Hitlers, den Wagen in die Luft. Der 2419 D, der Waggon, der zuviel wußte, war nichts mehr als ein Haufen verbogenen Eisens und verbrannter Bretter. Seine bronzenen Wappen waren geschmolzen, nichts bleib von ihm.«
Und doch haben meine Schüler Überreste gefunden und dokumentiert, die vom Waggon geblieben sind. Sicher wird, ihr Bericht auch Ihr Interesse finden. Im Wald von Compiegne steht heute in einem kleinen Museum der Salonwagen Nr. 2439, ein Wagen aus einer baugleichen Prdouktionsserie. Mit meinen drei jugendlichen Forschern wünsche ich mir, daß einige der noch vorhandenen Überreste des berühmtesten Eisenbahnwaggons der Welt 2419 D in die Gedenkstätte nach Compiegne gelange.
In verschiedenen Dokumentationen las für Sie Lehrer Gerd Kratsch.