Kritische Reaktionen auf »Hitlers Bombe« – Beunruhigende Lektüre – – vom 15.03.2005
Link zur Diskussion im GTGJ-Forum: Rainer Karlsch: Hitlers Bombe
Quelle: Thüringer Landeszeitung am 15.03.2005
Kritische Reaktionen auf »Hitlers Bombe«
Berlin (dpa) – Das Buch »Hitlers Bombe« über Kernwaffenversuche in der NS-Zeit hat bei der offiziellen Präsentation in Berlin weiter für kritische Reaktionen gesorgt. Der Historiker Rainer Karlsch behauptet darin, ein bislang unbekanntes Kapitel des Zweiten Weltkriegs zu beleuchten: Entwicklung, Bau und Test einer deutschen »Mini-Atombombe« im Winter und Frühjahr 1945.
Es ist vor allem der Begriff Atombombe, der das Missfallen von Fachkollegen weckt. »Es gab keine deutsche Atombombe«, betonte Mark Walker, US-Experte für Nuklearwaffenforschung, am Montag bei der Buchvorstellung. Atombombe sei eine historisch bedingte Definition für die »Superbomben«, die auf Hiroshima und Nagasaki fielen. Er habe davor gewarnt, diesen Begriff für die deutsche Forschung zu verwenden. »Das Wort erzeugt unvermeidbare Missverständnisse«.
Karlsch bezeichnete die NS-Waffenentwicklungen am Montag leicht abgeschwächt als »Atomgrananten«. »Das ging in die Richtung einer einsatzfähigen Kernwaffe, das darf man nicht als Bömbchen verharmlosen«, betonte er. Auch die »Mini-Bombe«, die NS- Atomphysiker seinen Recherchen zu Folge im März 1945 in Thüringen zündeten, sei eine gefährliche Waffe gewesen. Sie habe einen Zerstörungsradius von rund 500 Metern gehabt. Bei Versuchen seien rund 500 Häftlinge und Kriegsgefangene ums Leben gekommen. Allerdings räumt Karlsch auch ein: »Den letzten Beweis dafür gibt es nicht. Es gibt eine Kette von Indizien«.
Der Autor beruft sich in seinem Buch auf neu erschlossene Quellen aus russischen Archiven, bislang unbekannte Nachlässe sowie Augenzeugenberichte und Bodenproben. Der Kernphysiker Uwe Keyser von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig bestätigt Karlsch nach der Analyse von Bodenproben aus dem thüringischen Ohrdruf beispielsweise »starke Hinweise darauf, dass dort tatsächlich eine Atomexplosion stattfand«.
Unter Historikern und Physikern findet »Hitlers Bombe« Beachtung, aber geteilte Zustimmung. »Karlsch ist kein Spinner, sondern ein seriöser Wirtschaftshistoriker«, betont Dieter Hoffmann vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Das Buch biete der Forschung neue Mosaiksteine und werde sicher eine konstruktive Auseinandersetzung nach sich ziehen. »Ich halte es allerdings für eine unglückliche Verlagspolitik, das Buch „Hitlers Bombe“ zu nennen. Hitlers Bombe oder eine Fusionsbombe hat es wohl doch nicht gegeben«, ergänzt Hoffmann.
Die deutschen Medien, die dem Buch bereits vor der Veröffentlichung große Besprechungen widmeten, zweifeln dagegen überwiegend an Karlsch Behauptungen. »Der Historiker kann seine spektakulären Thesen nicht beweisen«, heißt es im jüngsten »Spiegel«. Die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« spricht von einem »irreführenden Titel«. Die »Süddeutsche Zeitung« hält Karlsch‘ Entdeckungen – beispielsweise einen laufenden Reaktor zur NS-Zeit – zwar für neu, aber für bislang unbewiesen
Beunruhigende Lektüre
Hatten die Nazis die Atombombe? Oder doch nur eine Atomgranate? Der Streit darüber ist müßig. Fest steht: Hitlers Forscher waren auf dem Weg, eine Massenvernichtungswaffe damals unvorstellbaren Ausmaßes zu entwickeln. Das weist der Historiker Rainer Karlsch in seinem neuen Buch „Hitlers Bombe“ nach.
Nachdenklich macht an diesen Erkenntnissen nicht nur die Überlegung, was die Nazis mit einer funktionierenden Atomwaffe hätten anstellen können. Nachdenklich macht auch das, was Karlsch selbst anspricht: Wenn es für die Nazis vor 60 Jahren schon so relativ einfach war, einen Atomsprengsatz zu bauen, wie groß muss die Gefahr dann heute sein?
Das größte Problem Hitlers und seiner Forscher war es offenbar, kernwaffenfähiges Material wie Uran zu bekommen. Auf dem weltweiten Schwarzmarkt heute scheint das, nach allem, was Sicherheitskreise berichten, ein weniger großes Problem zu sein. Vor allem Anfang der 90er Jahre, kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, standen offenbar die Atomforschungsanlagen dort fast wie ein Selbstbedienungsladen offen.
Und auch die skrupellosen Geschäfte eines pakistanischen Generals mit allen Zutaten, die zu einem Bombenbau gehören, sind noch in bester Erinnerung. Die „schmutzige Bombe“ in der Hand von Terroristen, vor der Sicherheitskreise warnen, ist offenbar mehr als nur eine Fiktion. Und wer überwacht, was der unberechenbare Diktator von Nordkorea mit seiner Atombombe macht? Es sind diese Fragen und Überlegungen, die die Lektüre des Buches von Karlsch so beunruhigend machen.
14.03.2005 Von Hartmut Kaczmarek
„Kleine“ Atomwaffe eine große Gefahr
Ohrdruf/Berlin. (tlz) „Kleine“ und schmutzige Atomwaffen herzustellen ist mit offenbar weniger Aufwand möglich als bisher angenommen. Deshalb muss die Welt hier viel aufmerksamer reagieren. Diesen Schluss zieht der Historiker Rainer Karlsch aus seinen Forschungen zu dem ersten Atomwaffentest der Weltgeschichte, der seiner Einschätzung nach im März 1945 von den Nazis in Ohrdruf vorgenommen wurde. Mehrere hundert KZ-Häftlinge starben bei der Explosion dieser „Atomgranate“, so Karlsch, der sein Buch „Hitlers Bombe“ in Berlin vorstellte.
„Wenn es schon vor 60 Jahren möglich war, taktische Kernwaffen zu entwickeln und damit die Schwelle für einen Atomwaffeneinsatz gefährlich abzusenken, um wie viel größer ist die Gefahr heute?“, fragt Karlsch in einem TLZ-Interview. Er warnt eindringlich vor kleinen, zu allem entschlossenen Wissenschaftlergruppen, die durchaus in der Lage seien, sehr gefährliche Waffen herzustellen. Dabei hat er vor allem im Auge, dass die Ergebnisse dieser Forschungen in die Hände von Terroristen geraten könnten.
Karlsch ist nach seinen jahrelangen Recherchen davon überzeugt, dass weitere Forschungen in Ohrdruf nötig sind. Weitere Überraschungen will er nicht ausschließen. In russischen Archiven sei er mehrfach auf Hinweise gestoßen, dass in Ohrdruf auch Raketen getestet und gefertigt wurden. Das sei aber nicht verifizierbar gewesen.
Mehr zum Thema lesen Sie in der Dienstag-Ausgabe der TLZ.
14.03.2005 Von Hartmut Kaczmarek
TÜP birgt Geheimnisse
Gotha. (tlz/com) Wurde die erste Atombombe in Thüringen gezündet oder nicht. Dieser Frage geht der Berliner Historiker Rainer Karlsch in seinem Buch „Hitlers Bombe“ nach. Seit gestern ist das umstrittene Werk offiziell in den Buchläden erhältlich. Gothas Buchhändler Ralf Schmidt-Garbe von der „Buchhandlung Carl Glaeser“ verkauft das Buch seit vergangener Woche in seiner Ohrdrufer Filiale. „Im Schnitt gehen drei bis vier Exemplare über den Ladentisch“, sagt Schmidt-Garbe. Zudem habe er eine große Liste an Vorbestellungen liegen.
Der Berliner Historiker Karlsch wertet in seinem Buch neueste Forschungsberichte aus, die nach dem Jonastal auch den Ohrdrufer Truppenübungsplatz wieder in den Vordergrund spielt. Diese vorgebrachten Argumente birgen beim Ohrdrufer Historiker Hartmut Ellrich die Gefahr, dass dadurch die „falschen Gesellen in die Garnisonsstadt gelockt werden“ und der Tourismus Schaden nehmen könnte.
„Das sind nur oberflächliche Vermutungen“, ist sich Bürgermeister Klaus Scheikel sicher. Sicherlich gebe es Geheimnisse um den TÜP, um die sich viele Mythen ranken. Thema des Tages
14.03.2005