Teile für Jonastal-Puzzle – vom 19.08.2006
Quelle: Thüringer Allgemeine ARNSTADT am 19.08.2006
Teile für Jonastal-Puzzle
Geradezu knisternde Spannung unter den Mitgliedern des Jonastalvereins. Auslöser – ein dicker A 4-Umschlag mit Fotos. Kopien von Aufnahmen, die vermutlich im Mai/Juni 1945 auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes und im Jonastal gemacht wurden und die in belgischen Archiven gefunden wurden.
WÖLFIS. Patrick Brion ist oft Gast des Jonastalvereins, der sich vor allem der Erforschung der Geschehnisse auf und um den Truppenübungsplatz Ohrdruf während der Naziherrschaft widmet. Der belgische Offizier ist gern gesehen. Aber mit soviel Spannung haben die Vereinsmitglieder seinem Besuch selten entgegen gefiebert. Vor zehn Tagen hatte er sein Kommen angekündigt, ein Bild gemailt – zwei Angehörige einer belgischen Einheit im Frühjahr 1945 auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf.
Peter Schmidt erzählt, dass man bei den Recherchen darauf gestoßen war, dass neben den US-Truppen auch ein belgisches Kontingent im April 1945 in Thüringen einrückte – die 16. Füsiliere. Was also lag näher, als Patrick Brion zu bitten, Nachforschungen anzustellen. Aber das dauerte, bis dann eine e-Mail eintraf und das besagte Foto – eines von 33. Die restlichen blieben „top secret“ bis zu diesem Donnerstag. Es sollte eine Überraschung werden . . .
Auf die waren die engagierten Geschichtsforscher dann auch richtiggehend neugierig. In ihrem Dokumentationszentrum, vor der Fotowand, die Aufnahmen aus dem Jonastal vom Herbst 1945 zeigt, sollte die Übergabe stattfinden. Ein gut gewählter Platz, wie sich herausstellen sollte.
Patrick Brion, der auch dem Förderverein „Gedenkstätte Walpersberg“ angehört, würdigte die Arbeit der Geschichtsforscher. In einer Zeit, in der rechtes Gedankengut viele Jugendliche erfasse, leisteten sie wichtige und nötige Aufklärung und das häufig ohne öffentliche finanzielle Förderung.
Lohn der Mühen seien dann auch solche Funde. Die 33 Fotos seien, so hofft er, erst der Anfang. Es könnten weitere Dokumente hinzu kommen, zumal die belgischen Einheiten seinerzeit akribisch über ihren Einsatz Buch geführt hätten. Doch die Recherchen erfordern Geduld, Durchsetzungsvermögen und auch Geld.
Dass er sich über den Erfolg selbst sehr freut, merkt man ihm an: Einige Bausteine zu einem Millionen Teile umfassenden Riesenpuzzle. Die übergab Patrick Brion an den Vereinsvorsitzenden Johannes Alt.
Bereits vorbereitet – eine Foto-CD. Erwartungsvoll versammelten sich die Vereinsmitglieder zur Präsentation, um auch umgehend mit der Interpretation der Bilder zu beginnen. Eindeutig das erste, bereits erwähnte Foto mit den beiden belgischen Armeeangehörigen. Die waren 1945 mit der Bewachung des Areals auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf betraut gewesen, in dem befreite KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter vor der Rückkehr in ihre Heimatländer untergebracht waren. Doch bei den folgenden Bildern begann bereits das Rätseln um Örtlichkeiten – Ohrdruf, der Flugplatz Gotha? Dann Bilder technischer Anlagen im Jonastal, eindeutig. Ein Raunen im Raum – Fotos, die weitere Spuren erschließen könnten, ja werden. Da sind sich die Experten einig. Fasziniert schauten sie auf Details, die auf dem bisher vorliegenden Fotomaterial aus dem Herbst 1945 nicht mehr zu sehen sind. Aber erst in den nächsten Wochen sollen die exakt ausgewertet werden. Man will sich vor voreiligen Schlüssen hüten.
Doch Kompressorstation und Mischanlage, Mundlöcher der Jonastalstollen – sie sollten nicht das Maß der Dinge der Forschungen sein. In erster Linie, so der belgische Offizier Patrick Brion, gehe es um die Schicksale der Menschen, die hier jahrelang gefangen gehalten, zur Zwangsarbeit verpflichtet waren.
18.08.2006 Von Gerd SCHMIDL