Berlin (dpa) – Wie lässt man ein Zimmer verschwinden? Wenn Ende dieser Woche der russische Präsident Wladmir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder das rekonstruierte Bernsteinzimmer einer staunenden Öffentlichkeit übergeben werden, wird die Suche nach dem verschwundenen Original nicht aufhören. Über kaum eines der in den Wirren des Kriegsendes abhanden gekommenen Kunstgüter wurde mehr geschrieben und spekuliert als über das legendäre Geschenk Preußens an Zar Peter den Großen.
Es gilt als das wohl größte Kleinod europäischen Kunsthandwerks, von manchen auch als «achtes Weltwunder» bezeichnet und auf etwa zehn Millionen Euro geschätzt. Allein für die oft aufwendige Suche sind nach Kriegsende bereits Millionensummen aufgebracht worden.
Es hat die Gemüter und die Fantasien vieler Schatzsucher bewegt, die sich nicht scheuten, neben Bagger auch Rammsonden und sogar Radar einzusetzen. Die Suche nach dem «Nibelungenhort der Neuzeit» gab Stoff für Filme (so von Roland Gräf mit Corinna Harfouch und Ulrich Tukur) und Buchveröffentlichungen her, bis hin zu Romanstoffen wie von Heinz G. Konsalik. Es ist eine bunte und illustre Schar von Sachverständigen und Hobby-Schatzsuchern, Heimatforschern, Abenteurern und Glücksrittern, die sich seit Jahrzehnten Hoffnungen macht, die etwa 40 Kisten doch noch in irgend einem Schlosskeller, Bunker, in Ruinen oder Bergwerksstollen aufzuspüren.
Für manche nahm die Schatzsuche auch ein tödliches Ende, wie für den norddeutschen Obstbauern und fanatischen Bernsteinzimmer-Forscher Georg Stein, der auch Kontakte zur Stasi suchte und sich 1987 das Leben nahm. Auch der ehemalige «Stern»-Reporter Gerd Heidemann mischte mit und vermutete das «El Dorado» aus Bernstein in Paraguay und wollte sein Wissen den Russen verkaufen, wenn sie den einstigen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß aus dem Kriegsverbrechergefängnis in Spandau freiließen – heißt es in dem gerade erschienenen Band über «Das neue Bernsteinzimmer», den Reinhard Appel herausgegeben hat (LiCo Verlag, Bergisch Gladbach). Daraus wurde nichts. Auch der Hitler-Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau verfolgte eine «heiße Spur» im sächsischen Löbau und der letzte Innenminister der DDR, Peter-Michael Diestel, vermutete den Zarenschatz auf einem Rittergut in Brandenburg.
An der zeitweise fieberhaften Suche beteiligten sich Kunstwissenschaftler, Museumsexperten und Schriftsteller, aber auch Stasi-Chef Erich Mielke in der DDR oder Didi Hallervorden, der 1996 als «Scherzkeks» in der TV-Sendung «Verstehen Sie Spaß?» mit einer fingierten Nachricht Journalisten und sogar einen Museumsdirektor hinters Licht führte. Er präsentierte ein altes Doppelbett mit einer Kunstvoll ausgestatteten Umrandung aus vermeintlichem Bernstein als Teile des Bernsteinzimmers.
Der damalige russische Präsident Boris Jelzin überraschte die Deutschen 1991 mit der Nachricht, er wisse, wo sich die Kisten befänden – auf dem Gelände eines sowjetischen Flugplatzes im thüringischen Ohrdruf, das «Projekt Olga», das unterirdische angeblich «letzte Führerhauptquartier» im thüringischen Jonastal. Die wenigen dort noch verbliebenen russischen Soldaten machten sich über das heranrückende Heer von Journalisten nur lustig. Man wisse doch, dass allein in Ostdeutschland 300 mögliche Verstecke genannt werden. «Nix finden. Mystika, alles Mystika. Sucht nur, sucht, und schickt’s uns hinterher», meinte ein bald in seine Heimat abrückender Fallschirmspringer. Manche richteten die Hoffnungen auf die Zeit «danach», wenn die Sowjets 1994 Deutschland verlassen haben und dann ungestört auf den Truppenplätzen gesucht werden könnte.
Irgendwo zwischen Weimar und Dresden vermuteten auch andere Schatzsucher das Bernsteinzimmer. Immer wieder gab es «sensationelle Hinweise» und neu aufkeimende Hoffnungen und ebenso große Enttäuschungen. Die einen meinten, das Bernsteinzimmer ist mit der «Wilhelm Gustloff» untergegangen und liegt auf dem Grund der Ostsee, andere sind sich sicher, dass es im Königsberger Schloss beim Angriff der Russen verbrannt ist. Andere Quellen sprachen von einer Höhle in der Nähe von Hitlers Sommerquartier in Berchtesgaden. Die meisten Hinweise und Spuren führten aber immer wieder nach Thüringen.
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