Wipfra: Flugzeugabsturz vor 60 Jahren – vom 30.11.2004
Quelle: Thüringer Allgemeine – Lokalteil Arnstadt am 30.11.2004
Geschichtsverein: Absturz vor 60 Jahren
Der 30. November 1944 war für die Neurodaer und Wipfraer ein Tag wie jeder andere im Krieg. Ebenso für die achtköpfige Besatzung des B-17 Bombers mit der Seriennummer 42-97383, die sich auf dem Horham-Airfield in England auf ihren Einsatz vorbereitete.
Der Einsatzbefehl für den 24-jährigen Captain Eugene A. Payne aus Ohio und seine Mannschaft war die Bombardierung der Leuna-Werke in Merseburg. Um 13.21 Uhr, kurz vor dem Erreichen des Zielortes, wurde Captain Paynes Maschine in 6000 Meter Höhe von einem Flakgeschoss getroffen. Der Pilot und drei der Männer seiner Besatzung wurden verletzt, das Flugzeug schwer beschädigt. Die Maschine flog noch 100 Meilen, bis sie schließlich brennend das Wipfratal erreichte und zwischen Wipfra und Neuroda abstürzte. In den Trümmern starben der Co-Pilot und der Bordmechaniker – die anderen Besatzungsmitglieder konnten rechtzeitig abspringen und überlebten den Absturz.
Die Menschen in Wipfra und Neuroda sahen die brennende Maschine tieffliegend aus nördlicher Richtung kommend über dem Pfützrand abstürzen und eilten zu der Unglücksstelle. Landwehrmänner nahmen die Besatzung gefangen; Prügel und Beschimpfungen waren Captain Paynes erste Berührung mit den „Krauts“.
In ihrer ersten Nacht wurden sie in Neuroda festgesetzt und nach mehreren Tagen im Durchgangslager auf verschiedene Gefangenenlager verteilt. Die beiden Absturzopfer wurden auf dem Friedhof Neuroda beerdigt und nach Kriegsende auf einen Militärfriedhof außerhalb Deutschlands gebracht. Eugene A. Payne erlebte das Kriegsende im Gefangenenkrankenhaus in Obermaßfeld. 1948 wurde er aus den Army Air Corps entlassen und verstarb 2000.
Bilder und Informationen über die Besatzung und ihre Maschine sowie kleine Teile des Flugzeuges und andere Gegenstände, die verteilt auf dem Pfützrand gefunden wurden, sind derzeit im Wipfraer Dorfmuseum ausgestellt. Der Geschichts- und Museumsverein Wipfra sammelt und präsentiert, geleitet vom Ortschronist Hartmut Gröckel, seit zwei Jahren Ausstellungsstücke aus der Siedlungsgeschichte und Geologie des Ortes.
„Wir wollen nicht nur Gegenstände ausstellen, sondern auch ihre Geschichte – die Geschichte soll erlebbar gemacht werden“, fasst Gröckel die Arbeit des Vereins zusammen. An das Ereignis 30. November 1944 erinnert sich beispielsweise Ingo Iffland, der mit einem der Briefe, den er als 14-jähriger an seinen Vater schrieb, zu ersten Fortschritten in der Recherche nach dem genauen Tag und Jahr beitrug. Männer, die heute über 50 sind, können noch davon erzählen, wie sie als Jungen nach Munition und Schwarzpulver am Pfützrand suchten. Mit Hilfe des Internets und des genauen Datums des Absturzes konnte der Pilot Payne ausfindig gemacht und Kontakt mit Ohio aufgenommen werden. Dieser Kontakt soll weitergeführt werden – einerseits mit den Kindern des Piloten und andererseits ist der Verein an einem Buch interessiert, das die Frau von Payne verfasste und darin Informationen über den Krieg aus der Sicht ihres Mannes reflektiert. Ein nächstes Projekt werden Ausstellungsstücke aus der alten Schwesternstation in Wipfra sein, mit deren Hilfe die Tätigkeit und der Mensch hinter der Gemeindeschwester Gertrud Müller präsentiert werden sollen. Vom Bomberabsturz 1944 existieren geringe Materialfunde, jedoch werden persönliche Schicksale aufgedeckt, wie die von Eugene A. Payne, die Interessierte nach Voranmeldung bei Hartmut Gröckel oder Heike Weber in Wipfra erforschen können. Von Anja REIFENBERG