Die Hölle im Außenlager S III – Ein Verein widmet sich den Geschehnissen im Jonastal – vom 12.04.2005

Quelle: Amtsblatt des Ilmkreises Nr. 05/05 am 12.04.2005

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Die Hölle im Außenlager S III

Ein Verein widmet sich den Geschehnissen im Jonastal

Schaut man heute, 60 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges und anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der Häftlinge im KZ Buchenwald und seiner Außenlager, in die Tagespresse oder in aktuelle Bücher zum Thema, so scheint das Thema „Deutsche Atombombe“ allgegenwärtig und dominant. Mit Recht vermisst der interessierte Leser viele andere Themen der Jonastal- und Geschichtsforschung, die bisweilen nur am Rande kurze Erwähnung finden. Aus diesem Grund möchten die Mitglieder des Jonastalvereins die Ergebnisse einer Recherche zum Außenlager S III von Buchenwald in gekürzter Form vorstellen. Dieser Bericht ist vollständig ab April 2005 in der Sonderzeitschrift des Vereins nachzulesen.

Die ersten Häftlinge kamen am 06.11.1944 in Ohrdruf an
Eines der wichtigsten Ziele, die Häftlingsstärke und Opferzahlen für das Außenlager S III von Buchenwald auf eine reale Basis zu stellen, erwies sich auf Grund des wahrscheinlichen Chaos in der Verwaltung, das schon beim Aufbau des Außenlagers zum Alltag gehörte, als recht kompliziert. So fehlen bislang z. B. eine zentrale Übersicht aller Ab- und Zugänge sowie ein vollständiges Totenbuch. Nachweise für einige Häftlingstransporte, die zum Außenlager S III führten, konnten aber im Archiv der Gedenkstätte Buchenwald aufgefunden werden. Darunter war eine Transportliste mit der Bezeichnung „Transport B“, mit dem nachprüfbar am 6. November 1944 die ersten 300 Häftlinge von Buchenwald in das Außenlager verlegt wurden. Am 7. November folgte der zweite „Transport O“ mit 8 und am 9. November der dritte mit der Bezeichnung „Transport Ohrdruf“ und 200 Häftlingen. So erhöhte sich an diesem Tag der Gesamtbestand des Ohrdrufer Lagers auf 508 Häftlinge. Exakt diese Zahl wurde auch noch am 16.11. über die Stärkemeldung des Kommandos S III dokumentiert und so ist eindeutig nachweisbar, dass keine weiteren Transporte vor dem 6. November in diesem Zusammenhang erfolgt sein können. Diese beschriebenen Vorkommandos haben das ehemalige Truppenlager Ohrdruf erst in das bekannte Häftlingslager umgebaut.

Bei den Recherchen im Buchenwald-Archiv konnte weiterhin festgestellt werden, dass am 14. November 1944 das Außenlager S III mit seinen zu dieser Zeit aktuellen Zahl von 508 Häftlingen aus dem Gesamtbestand von Buchenwald herausgezogen wurde, was zunächst für Außenlager ungewöhnlich war. Diese Außenkommandos gehörten eigentlich zu jeder Zeit zum Bestand dazu. Da Ohrdruf seit diesem Tag vermutlich als eine Art eigenständiges KZ fungierte, ist der erste, große Transport mit 1000 Häftlingen aus Sachsenhausen am 16. November 1944 eventuell nicht mehr direkt über die Verwaltung von Buchenwald registriert bzw. dort erfasst worden.

Das Lager S III war für die Dauer von 2 Monaten ein eigenständiges Lager
Am 14. November 1944 wurde in der täglichen Veränderungsmeldung des KZ Buchenwald Folgendes vermerkt: „Als „überstellt‘ wurden abgesetzt: 508 vom Kdo Oldenburg nach?“ (das Fragezeichen passt zu der bisher beschriebenen Situation in Ohrdruf und der Schreiber im Stammlager wusste vermutlich wirklich nicht, wohin „abgesetzt“ wurde). Genau so wurden täglich auch die Transporte in eigenständige KZ wie Floßenbürg oder Auschwitz von der täglichen Gesamtstärke Buchenwald „abgesetzt“. Im Verlauf der Recherche konnte weiterhin herausgefunden werden, dass mit Kommando Oldenburg das Kommando S III gemeint war. Bei dieser Verwechslung spielte der oft falsch geschriebene Nachname des Leiters des Führungsstab S III in Ohrdruf, Gerrit Oldeboershuis bis hin zu Oldenburg, eine entscheidende Rolle.

Das schnelle Ende der Eigenständigkeit von S III nach nur 2 Monaten ergibt sich daraus, dass am 15. Januar 1945 7648 Häftlinge dem KZ Buchenwald wieder zugeführt wurden. An diesem Tag erhielten alle Häftlinge von S III eine neue Häftlingsnummer und wurden so grundsätzlich neu in Buchenwald erfasst. Die Gründe für die Wiederangliederung an Buchenwald liegen sicherlich in dem angesprochenen Verwaltungschaos und es ist davon auszugehen, dass dort vorrangig das Bauvorhaben vorrangetrieben und weniger ein Lager „ordentlich“ geführt werden sollte. Während der Zeit der Eigenständigkeit soll es lediglich am einzigen arbeitsfreien Tag, dem 24. Dezember 1944, zu einer Erfassung der Gesamtstärke von 10.555 gekommen sein. Dazu wurde der ganze Tag benötigt und viele Häftlinge verbrachten ihren letzten Weihnachtsfeiertag mit Zählappellen.

Nachweisbare Häftlingstransporte nach und von S III
Es erwies sich als sehr schwierig, die Zu- und Abgänge exakt zu erfassen, zumal es keine zentrale Referenz gibt. Nur durch Zufall ist z. B. aufgefallen, dass Transportlisten und Zugangsmeldungen, die mehrere Tage auseinander liegen, trotzdem auf ein und dieselben Stärkeveränderungen zurückzuführen sind. Eine doppelte Erfassung kann somit insgesamt nicht ganz ausgeschlossen werden, so lange nicht auch die gleichen Informationen für die Ab- und Zugänge aus den anderen KZs vorliegen. Daher ist die bisherige Übersicht nur als Zwischenstand und noch nicht als endgültiges Ergebnis zu verstehen.

Zeitraum: 06.11.1944 – bis 09.04.1945
Zugang gesamt: 23.445
Abgang gesamt: 8.639
Als „flüchtig“ abgesetzt: 92
Als verstorben bisher nachweisbar: 3.677
Weitere mögliche Zugänge aus anderen KZs
ohne eindeutigen Nachweis bisher: 8943
Fundierte Aufstellungen der Opfer

Aufstellungen dieser Art sind bisher leider noch nicht möglich gewesen, obwohl vereinzelt Verzeichnisse vorgefunden wurden, die aber nur einen Teil der Opfer von S III widerspiegeln. So fehlt auch hier bisher eine vollständige Übersicht und gleichfalls bleibt problematisch, in wie weit z. B. die nicht mehr „verwendungsfähigen“ Häftlinge in diese Statistik einbezogen werden können, die zum Beispiel nach ihrer Abschiebung in Buchenwald und Bergen-Belsen in Folge von S III verstorben sind. Neben den so genannten „Invalidentransporten“ sollten daher zukünftig weiterhin auch die Häftlinge einbezogen werden, die während oder kurz danach in Folge des mörderischen Todesmarsches zu Opfern von S III wurden und nicht mehr direkt als solche erfasst wurden. In aller Eile wurden die überfüllten Lager Anfang April 1945 vor der heranrückenden Front evakuiert und die ohnehin geschwächten Häftlinge mussten oftmals sehr lange Wege zu Fuß zurücklegen.

Am Beispiel eines der „Invaliden-Transporte“ nach Buchenwald soll gezeigt werden, was man sich unter Transporten mit „verbrauchten“ Arbeitskräften von S III vorzustellen hat. Ein Schreiben vom Standortarzt der Waffen-SS Weimar am 13.01.1945 nimmt darauf Bezug und beschreibt ebenfalls kurz die Lagerverwaltung: „Von den am 12. Januar 1945 hier eingetroffenen Häftlingen, die vom Außenlager S III nach dem K.L. Buchenwald überstellt worden sind, und deren Gesamtzahl 1400 beträgt, sind bis heute Vormittag 203 Mann verstorben. Der größte Teil dieser Häftlinge war nicht mehr in der Lage, Angaben über ihre Person zu machen, so dass die Bearbeitung der Todesfälle auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der Häftlinge, ohne über K.L. Buchenwald gegangen zu sein, und ohne hier neue Nummern bekommen zu haben, in S III sofort zur Arbeit eingesetzt worden sind. Diese Häftlinge haben zum großen Teil die Nummer ihres alten Lagers behalten, ohne dass bekannt ist, aus welchen Lagern sie kamen, da keine Listen vorhanden sind. So ist die Identifizierung der Toten nach Nummern, und andere Anhaltspunkte gibt es vielfach nicht, äußerst fragwürdig. Unter den 203 Toten befinden sich 187 Fälle, die vorläufig als unbekannt gemeldet werden müssen… Ferner wird gemeldet, dass am Vormittag des 12.1.1945 ein Kurier von S III Todesmeldungen von insgesamt 780 in S III verstorbenen Häftlingen überbrachte, deren Bearbeitung ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden ist… Außerdem fehlt bei diesen Toten, die in der Zeit vom 12.12.44 bis 7.1.45 verstarben, eine Mitteilung darüber, auf welche Weise die Beseitigung der Leichen vorgenommen worden ist.“ Die vom Lagerarzt jeweils diagnostizierten Todesursachen brauchen keine weitere Erklärung. Es wurden beispielsweise Herzschwäche bzw. Herzversagen, Kollaps, Lungenentzündung, Sepsis bei Phlegmone, Sepsis bei U-Schenkelgeschwür, Pneumonie, Ruhr, Magen-Darmkatarrh und vor allem allgemeine Schwäche festgestellt. Überlebende, die zuvor in anderen Lagern waren und vergleichen konnten, sprachen später wie Herr Fred Wanders übereinstimmend von der Hölle in S III.

An dieser Stelle möchte der Verein ausdrücklich betonen, dass er in besonderer Weise den Opfern und Überlebenden von S III gedenkt. Wir möchten deren Schicksale und Leiden auch in Zukunft in den Mittelpunkt unserer Forschung stellen. Darin sehen auch wir die wahren Schätze im Jonastal, die es dort zukünftig als Vermächtnis zu bergen gilt. Aufgrund der eigenen Zielstellung sollten mit der ab April 2005 vorliegenden Vereinszeitschrift möglichst objektive Zahlen vorliegen, was aber aufgrund der geschilderten Probleme noch nicht möglich war. Daher sehen wir auch zukünftig einen wichtigen Teil unserer Vereinsarbeit darin, die folgenden Aufstellungen der zuordenbaren Transporte, Stärkemeldungen und Opfer immer weiter zu vervollständigen bzw. zu korrigieren. Wir hoffen dabei auf Ihre Zusammenarbeit und Unterstützung des Jonastalvereins.

Klaus-Peter Schambach
Jonastalverein

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