Gemeinsames Gedenken zum 60. Jahrestag der Befreiung – vom 20.04.2005
Amtsblatt Gotha, Gotha Landkreis, Mittwoch, 20. April 2005, Ausgabe: 16/05, Jahrgang:13
Gemeinsames Gedenken zum 60. Jahrestag der Befreiung
Das nasskalte Wetter und Temperaturen knapp um den Gefrierpunkt ließen die Teilnehmer der zentralen Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag der Befreiung einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie sich die Häftlinge des Außenlagers S III im Jonastal gefühlt haben müssen. Der Befreiung dieses Außenlagers und der Gräueltaten sowie der unzähligen Opfer aber auch dem Ende des 2. Weltkrieges gedachten der Landkreis Gotha und der Ilm-Kreis in einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung. Über 120 Bürgerinnen und Bürger folgten am 9. April der Einladung der Landräte Dr. Siegfried Liebezeit und Dr. Lutz-Rainer Senglaub an das Mahnmal für die Opfer des KZ Buchenwald-Außenkommando S III im Jonastal.
Landrat Dr. Senglaub begrüßte die zahlreichen Persönlichkeiten aus der Politik, Wissenschaft und Religion, darunter Mitglieder beider Kreistage, Bürgerm eister der Region, den Konsul der Russischen Förderation Anatoli M. Jenin vom Generalkonsulat Leipzig, den Superintendenten der evangelischen Kirche in Arnstadt Hundertmark, den Kommandeur des Truppenübungsplatzes Ohrdruf Hauptmann König und Dr. Helga Raschke aus Gotha.
Landrat Lutz-Rainer Senglaub bezeichnete diesen Ort des Gedenkens als historisch belegten Ort der Verbrechen der Nazis in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Mit dem Eisenhower-Zitat „Kommen Sie her und schauen Sie, dann wissen Sie, wofür wir kämpfen!“, unterstrich Senglaub seine Forderung, nicht darin nachzulassen, dem wiedererstarkenden Rechtsextremismus entgegenzutreten. Landrat Dr. Siegfried Liebezeit mahnte, auch nach 60 Jahren darüber nachzudenken, wie es zu einem solchen menschenverachtenden Krieg kommen konnte. Beide Landkreise halten es für wichtig, nicht nur zu gedenken und zu mahnen, sondern vor allem nicht zu vergessen. „Im Jonastal trifft uns die ganze Wucht der Geschichte“ beschrieb Landrat Dr. Liebezeit seine Gefühle an diesem Ort. Angesichts der Versuche einiger ewig Gestriger, die Geschichte zu verfälschen, sind alle Demokraten gefragt. Wo immer rechtsextreme Gedanken auftauchen, sind die demokratischen Kräfte aufgerufen, diesen entschlossen entgegenzutreten, rief Gothas Landrat auf. Er erinnerte zugleich an den Schwur, dass nie wieder von deutschem Boden Krieg ausgehen darf und soll und verneigte sich im Gedenken vor den Opfern.
Superintendent Hundertmark forderte dazu auf, sich der Vergangenheit zu stellen. „Menschen unseres Volkes haben Schuld auf sich, aber auch auf folgende Generationen geladen. Deshalb geht die Dankbarkeit für die Befreiung auch mit der Betroffenheit einher.“ Schon wieder werden Mahnwachen gegen die „Befreiungslüge“ von denjenigen gehalten, „welche die Geschichte neu schreiben wollen“ mahnte Konsul Anatoli V. Jenin.
Das Mahnmal im Jonastal erinnert an das furchtbare Schicksal der Häftlinge im KZ-Außenlager S III, in dem mehr als 7.000 Menschen einen qualvollen Tod fanden. Dr. Helga Raschke beschrieb in plastischen Bildern das Leid der Häftlinge im Jonastal. Mit dünner, völlig unzureichender Bekleidung, teilweise Barfuß, mussten die Häftlinge anfangs im Drei- und später im Zweischichtsystem rund um die Uhr Stollen in die Felsen des Jonastal treiben. Sie schilderte in ergreifenden Worten das Vegetieren und Leiden der 14.000 Arbeitssklaven im Jonastal vom November 1944 bis März 1945 für die wahnwitzigen Endsiegpläne der Nationalsozialisten. „Als die Fronten immer näher rückten, kannte die Brutalität der SS keine Grenzen mehr. Wer nicht mehr arbeiten konnte, kam ins Krematorium. Von den zu Tode gekommenen 7.000 Häftlingen starben allein 40 Prozent bei Strafappellen vor Hunger, Kälte, Erschöpfung oder Krankheit, weitere 2.700 kamen auf den Todesmärschen in Richtung Buchenwald oder in andere Stammlager ums Leben“ schilderte Dr. Helga Raschke den Anwesenden.
„Die Sonne bricht sich an der Felsenwand. Das Tal erscheint im warmen Licht.“
Mit diesem vermeintlich idyllischen Bild begann ein Gedicht von Ute Brand. Doch sie führte die Zuhörer weiter in eine „dunkle, grausame Zeit … (mit) Blut und Schlamm und Schmerzen. …“ Diese eindrucksvolle Rezitation bildete den Abschluss der gemeinsamen Gedenkveranstaltung.
Im Anschluss nutzten viele Teilnehmer die Gelegenheit, das Dokumentationszentrum der Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal in Wölfis zu besichtigen. Nur wer die Geschichte kennt, kann die Gegenwart meistern und etwas für die Zukunft tun, ist der Grundgedanke des gemeinnützigen Vereins, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, geschichtliche Vorgänge in Bezug auf das während der Zeit des Nationalsozialismus betriebene Außenlager S III aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Dies betrifft das Schicksal der eingesetzten Häftlinge ebenso wie Fragen zur damit verbundenen Zeit-, Technologie- und Militärgeschichte.
Das Denkmal und dessen Umgebung, welches nach 1990 zunehmend verwilderte, wurde durch den Verein gemeinsam mit der Stadt Arnstadt wieder zu einem würdigen Ort des Gedenkens hergerichtet. Das ist sicher auch ein Grund dafür, dass immer mehr Besucher diesen Ort als Ausgangspunkt eines neuentstandenen Geschichts- und Naturlehrpfades benutzen. Dieser wurde im Jahr 2004 mit Hilfe von ABM-Kräften angelegt. Auf Informationstafeln sollen die Besucher auf einem Rundweg mit der Geschichte und dem Grauen dieses Areal vertaut gemacht werden. Sie sollen ebenso die Gelegenheit erhalten der Toten zu gedenken. Darüber hinaus kann man sich über Flora und Fauna informieren. Zwei von geplanten fünf Informationstafeln sind bereits aufgestellt.
Für alle Interessierten besteht die Möglichkeit, die gewonnen Eindrücke in der Dokumentations- und Begegnungsstätte in Wölfis anhand von Bildern und Fakten zu vertiefen. Die Ergebnisse der Vereinsarbeit werden regelmäßig in einer Vereinszeitung veröffentlicht. Diese bietet die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über diesen Bereich. Oberstes Gebot dabei ist, dass nur das veröffentlicht wird, was auch beweisbar ist. An Spekulationen und Mythen beteiligt sich der Verein nicht. Ohne die Hilfe von Zeitzeugen wäre die Geschichte dieses Ortes vielleicht noch immer im Dunkeln geblieben.
Sachkundige Führungen auf dem Rundweg des Geschichts- und Naturlehrpfades bietet der Verein an. Die freigelegten Überreste und Zeugnisse der leidvollen Zeit sind dabei zu besichtigen. Einen weitereren Schwerpunkt der Vereinsarbeit bildet die Betreuung von Projektarbeiten und Führungen von Jugendgruppen, die sich mit dieser Problematik als Ergänzung des Geschichtsunterrichtes befassen.
Vorstandsmitglied Roman Heyn betonte, dass sich die Vereinsmitglieder von jeder Form von Rassendiskriminierung, Rechtsextremismus sowie nationalistischem Fanatismus energisch distanzieren.
Das Dokumentationszentrum ist an jedem ersten „Samstag“ (admin: kleine Korrektur) und letzten Sonntag im Monat von 14 – 18 Uhr oder nach vorheriger Anfrage für Besucher geöffnet.
Den Vereins erreicht man unter:
Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal e.V. – GTGJ
Der Jonastalverein, Postfach 1153, 99301 Arnstadt
Tel. 03624/335990
Weitere Infos im Internet: www.jonastalverein.de.