Gegen das Vergessen – 9. November 1938 Zerstörung Gothaer Synagoge – vom 12.05.2004

Thüringer Allgemeine – Lokalteil Gotha; Mittwoch, 12. Mai 2004
Gotha: Gegen das Vergessen

GEDENKEN: Thomas Strauß aus Jena baute erstmals ein Modell der am 9. November 1938 zerstörten Gothaer Synagoge.

GOTHA. Eine Ausstellung im Gothaer Rathaus II erinnert vor allem an die Schrecken der Naziherrschaft.Ein freudiger Anlass – ein trauriger Anlass? Natürlich überwogen am Dienstag nicht die hellen Gefühle, dazu ist das Dunkle der Geschehnisse viel zu mächtig. Dennoch: Ein wenig Feststimmung schwang durchaus mit in allen Gedenkveranstaltungen anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr der Einweihung der Gothaer Synagoge am 11. Mai 1904. Nur 34 Jahre lang allerdings duldete die Öffentlichkeit den imposanten Bau, denn wie 190 andere jüdische Gebetshäuser in ganz Deutschland wurde auch die Gothaer Synagoge am 9. November 1938 ein Flammenopfer der durch die Nazis angestachelten Massenhysterie.Es gibt also nichts zu feiern – mahnendes Gedenken ist angesagt. Entsprechend deutlich sind die Aussagen jener Ausstellung, die am Nachmittag im Foyer des Rathauses II am Ekhofplatz eröffnet wurde. Und entsprechend klare Worte verwendeten alle, die zunächst dort, dann zur Feierstunde in der Margarethenkirche und schließlich am einstigen Standort der Synagoge in der Moßlerstraße sprachen – in religions- und parteiübergreifender Allianz gegen das Vergessen.Kernstück der Ausstellung im Rathaus II ist ein Modell der Gothaer Synagoge, wie es bisher nirgends zu sehen war. Der in Gotha geborene und in Jena lebende Thomas Strauß (47) baute es innerhalb eines halben Jahres im Maßstab von etwa 1 : 34. Noch bis zum 10. Juni ist die Ausstellung zu besichtigen, die viele Informationen zu Planung, Bauausführung, Einweihung und Zerstörung der Synagoge bietet. Weitere Darstellungen beschäftigen sich mit dem einstigen jüdischen Leben in Gotha.Thomas Strauß hat einen ganz persönlichen Bezug zu den Ereignissen der Pogromnacht von 1938: Sein Stief-Großvater war einer jener SA-Männer, die die Gothaer Synagoge in Brand steckten. Kennen gelernt habe er diesen Menschen nie, so Strauß – doch schon als Kind hätten ihn die Erzählungen über die Untat stark beschäftigt. Seit etwa vier Jahren betreibe er ernsthafte Recherchen zum Thema; ein Buch über das jüdische Leben in Gotha vom Mittelalter bis zur Gegenwart stehe kurz vor der Veröffentlichung.Strauß war es auch, der vor einem Jahr die Anregung zum Gedenken des 100-jährigen Jubiläums der Synagoge gab. In der Gothaer Initiative „Gegen das Vergessen“ innerhalb des Netzwerkes KommPottPora habe er eifrige Mitarbeiter gefunden. Initiativ-Sprecher Matthias Hey dankte dem Initiator und allen Institutionen, die die professionell gestaltete Ausstellung ermöglichten.Wo das Modell der Synagoge letztlich einen dauerhaften Platz finden wird, steht noch nicht fest. Am liebsten wäre es Erbauer Strauß, bliebe es an prominenter Stelle in Gotha – doch auch die Kleine Synagoge Erfurt wäre ein guter Platz. Dort jedenfalls soll zunächst die gesamte Ausstellung im Anschluss an ihre Gothaer Präsenz gezeigt werden, auch andere Orte in Thüringen sind im Gespräch.Denn eines beschworen alle Redner des Gedenktages: Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart meistern – oder: „Vergessen ist die schlimmste Krankheit“, wie es der Rabbiner David Goldberg aus Hof formulierte.

Thomas RITTER 11.05.2004

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