Rainer Karlsch auf Einladung des Jonastalvereins in Ohrdruf – vom 22.07.2005

Thüringer Waldbote – Ausgabe 29/05 | Freitag, 22. Juli 2005

Rainer Karlsch auf Einladung des Jonastalvereins (GTGJ e.V.) in Ohrdruf

– Verein lud Mitglieder und Fachleute zu einem Kolloquium zu „Hitlers Bombe“ ein
Im Rahmen eines interdisziplinären Kolloquiums gelang es kürzlich den Verantwortlichen der Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal e. V. den Berliner Historiker Dr. Rainer Karlsch nach Ohrdruf einzuladen. Basierend auf dessen drei Monate zuvor erschienenem Buch „Hitlers Bombe“ wollten die Vereinsmitglieder mit Karlsch „die nationalen und internationalen Auswirkungen seiner Veröffentlichung besprechen und auf die vielfältigen Reaktionen eingehen“. Über Karlsch hinaus fand sich am 25. Juni 2005 im großen Saal des Hotels Schlossgartenpassage eine teils hochkarätige Runde zusammen, die, an einem ersten „runden Tisch“, ein wenig auch das allgemeine Für und Wider zu Karlschs Thesen repräsentierte. Neben Karlsch war Dr. Günter Nagel der Einladung gefolgt, der mit seinem Buch „Atomversuche in Deutschland“ neben Oranienburg und Gottow auch Stadtilm thematisiert hatte, daneben Dieter Holz, u. a. Mitautor des Bandes „Deckname Koralle – Chronik der zentralen Marine-Funkleitstelle für U-Boot-Operationen im Zweiten Weltkrieg“, sodann der Physiker an der TU Ilmenau Prof. Dr. Walter Hauk, Rechtsanwalt und Buchautor Ulrich Brunzel. Daneben waren aus Berlin der Diplomingenieur Florian Massinger und aus Hannover der Historiker und „Kammler-Spezialist“ Rainer Fröbe angereist. Nicht zu vergessen Roman Heyn, der Geologe Klaus Schöllhorn und der Historiker und Journalist Dr. Hans-Helmut Lawatsch, der bereits zu DDR-Zeiten in der Arnstädter Regionalliteratur über die „Gruppe Diebner“ publiziert hatte.

Doch es sollte keine Runde allein unter Experten sein. So war es durchaus beabsichtigt auch die Vereinsmitglieder in die Diskussion mit einzubinden, was im Laufe des Nachmittags auch geschah. Im Rahmen seiner Einführung verwies GTGJ-Projektleiter Klaus-Peter Schambach auf die große Resonanz, die das vom Verein eingerichtete Internetdiskussionsforum zu Karlschs Buch verzeichnen konnte. Bis zum 25. Juni 2005 wurden 4.000 Zugriffe gezählt. Im Rahmen der folgenden Diskussion mahnte Schambach zur Sachlichkeit in punkto Äußerungen. Gerade eben diese Sachlichkeit habe jedoch bis zur Vorstellung seines Buches gefehlt, beklagte Rainer Karlsch zu Beginn seines Vortrages und monierte, dass Teile der Presse sein Buch kritisiert hätten, ohne es zu kennen. So hätte es eine unterschiedlichste, teils „total überzogene Erwartungshaltung“ gegeben, die erst nach der Pressekonferenz „zunehmend sachlicher“ geworden sei. Karlsch äußerte sich zunächst zu den Entstehungshintergründen seines Buches. So sei er „eigentlich erst über die Urangeschichte“ zum Buch „Hitlers Bombe“ gekommen. Seine These „Ja, da ist was passiert“ bekräftigte er auch in Ohrdruf und verwies dabei neben den von der Forschung akzeptierten Moskauer Geheimdienstdokumenten des Experimentalphysikers und wissenschaftlichen Leiters des sowjetischen Atomprojektes Igor V. Kurchatov auf den wohl erstmals ausgewerteten Teilnachlass des Leiters der Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes Erich Schumann. Während nach Ansicht Karlschs das erste und zweite Buchkapitel zum deutschen Uranprojekt und den Reaktorversuchen „wenig Kritikpunkte“ aufweise, jedoch wichtig in punkto Wahrnehmung des Auslands gewesen sei, sei es ihm im dritten Kapitel zum „alternativen Kernwaffenkonzept“ wichtig gewesen aufzuzeigen, „dass daran seit 1943 gearbeitet wurde“. Allerdings lagerten wohl noch zahlreiche Patente der Gruppe Schumann, die den tatsächlichen Forschungsstand belegen könnten, für die Forschung unzugänglich in Privatar chiven. Auch habe man sich bisher nur auf „große Namen“, wie Heisenberg oder Weizsäcker konzentriert und dürfe die Befangenheit in der Wissenschaftspolitik nicht unterschätzen. Mit Blick auf Kapitel vier und fünf („Kernwaffentests in Thüringen“ und „Nachklänge“) verwies der Autor darauf, dass ein Mehr an schriftlichen Quellen bislang „nicht drin“ sei. Allerdings habe er auch aus dem Ausland, etwa Polen zahlreiche Verweise auf bislang unbekannte Literatur erhalten, die belegen, dass in der Region Ohrdruf „etwas passiert“ sei.

Die These von der deutschen Atombombe, die Karlsch bei seiner Buchpräsentation im März aufstellte, war es, die nicht nur dort für kritische Reaktionen sorgte und das Missfallen der Fachwelt erregte. Auch in seiner abgeschwächten Form als „Atomgranate“ stieß seine Vermutung bei einem Teil der Ohrdrufer Anwesenden auf Ablehnung, umso mehr, als Karlsch eingestand, dass das anfängliche Messgutachten zu einer möglichen erhöhten Strahlenbelastung gestoppt wurde und letztlich auch keine flächendeckende Untersuchung des heutigen Truppenübungsplatzgeländes möglich war. Am eigentlichen „Test“ in Ohrdruf erhitzten sich die Gemüter. Während der langjährige Jonastalforscher Ulrich Brunzel noch vorsichtig auf „sehr problematische Aussagen“ hinwies, konfrontierte der Geologe Klaus Schöllhorn Rainer Karlsch mit dessen widersprüchlichen Angaben zum Hochsicherheitsbereich des Testgeländes und der Fragwürdigkeit der zitierten Zeugenaussagen, die seiner Ansicht nach nicht kritisch genug bewertet wurden. Zeitzeuge Burkhard Neul aus Wölfis, der, wie der Verfasser als Gast des Vereins der Veranstaltung beiwohnte, äußerte erhebliche Bedenken an der Bombentheorie und dem „Hochsicherheitsbereich“ des Truppenübungsplatzes. Der Historiker Rainer Fröbe schließlich, der sich eingehender mit der Person Hans Kammlers (seit 1944 „Beauftragter für Sonderbauten“, Chef des Heeresbauwesens und seit Ende März 1945 „Generalbevollmächtigter des Führers für Strahlflugzeuge“) befasste, wies schließlich auf zahlreiche falsche und fehlerhafte Quellenangaben und freie Interpretationen durch Karlsch hin. Wenn auch diese Aussagen wohl sachlich zutreffend waren, so offenbarte der teils polemische Unterton Fröbes doch, welche Emotionen das Buch bislang an den Tag brachte. Dass „Hitlers Bombe“ trotz seines unglücklichen Titels bis heute auf Interesse stößt, zeigen die Reaktionen des In- und Auslandes. Während Russen und Amerikaner das Buch „zur Kenntnis“ nahmen, und äußerten die Physiker in Los Alamos (USA) Kritik. Doch gerade die brächten ja die Diskussion voran, so Karlsch.

Mehr zur spannenden Diskussion und den Argumenten über das Für und Wider zur „deutschen Atombombe“ im nächsten Heft des Vereins, das Ende August/Anfang September 2005 erscheint und in den bekannten Verkaufsstellen angeboten wird.

Hartmut Ellrich/
Historisches Projektmanagement

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