Das Nordlager auf dem TrÜbPl – vom 06.02.2004

Der Artikel erschien erneut in der aktuellen Ausgabe (Jahrgang 14 – Nr. 03 und folgenden) des Thüringer Waldboten – dem Amtsblatt für die Stadt Ohrdruf und die Gemeinden Crawinkel, Gräfenhain, Luisenthal, Wölfis sowie das Amtsblatt für die Verwaltungsgemeinschaft „Apfelstädtaue“ mit den Gemeinden Georgenthal, Emleben, Herrenhof, Hohenkirchen und Petriroda

(c) Peter Schmidt – Mitglied der GTGJ

Den kompletten Artikel und noch viel mehr findet man in unserer aktuellen Vereinszeitung 01/2003 – siehe Onlineshop über die Internetplattform der GTGJ hier!

In den Augusttagen 1914, in denen der Zweifrontenkrieg für Deutschland begann, stießen die deutschen Truppen im Osten und Westen kühn in Feindesland vor und brachten zahllose Gefangene ein“. So beschreibt die Chronik des Truppenübungsplatzes den Anfang eines der dunkelsten Kapitel der Ohrdrufer Geschichte. Bis heute hat noch kein Historiker versucht, dieses Thema aufzuarbeiten, obwohl es nun endlich an der Zeit wäre, wenigstens den Kern dieser Thematik einmal herauszuarbeiten. Ich selbst konnte in den zurückliegenden Jahren eine Menge Material zusammentragen. Aus diesen Unterlagen entstand der nachfolgende Bericht, der einen kleinen Einblick in die Geschichte des fast unbekannten Lagers gibt.

Der Großteil der Gebäude des Lagers auf dem Truppenübungsplatz war im Jahre 1914 fertig. Infanterielager, Kavallerielager, Jägerblock, Offizierslager und Kommandantur- und Verwaltungsgebäude waren belegt. Der Erste Weltkrieg begann. Die Garnisonsverwaltung stand nun plötzlich vor der Aufgabe, die ständig anwachsende Anzahl der Gefangenen gesondert unterzubringen. Man musste also ein Kriegsgefangenenlager anlegen. So schreibt die Chronik:
„Nach mehreren Besichtigungen wurde das Gelände auf der Höhe der Hundsbrunner Straße an der Nordgrenze des Platzes gewählt. Die Lage der Baustelle wurde für geeignet erachtet, weil sie verhältnismäßig nicht zu uneben ist und keine allzu großen Planierungsarbeiten vorgenommen werden mussten, außerdem Wasserleitung, Beleuchtung und vor allen Dingen auch Entwässerung leicht angeschlossen werden konnten.“

Im September 1914 hat man dann mit den Bauarbeiten begonnen. Die bis zu diesem Zeitpunkt eingetroffenen Gefangenen wurden in diese Arbeiten einbezogen. Man stellte 92 einstöckige Fachwerkbaracken von je 80 m Länge und 10 m Breite auf. Das Kommandantur-Dienstgebäude für das Kriegsgefangenenlager bestand aus Erd- und Obergeschoss. Um die Arbeiten zu beschleunigen, wurde ein Feldbahngleis vom Ohrdrufer Bahnhof bis ins untere Hoppbachtal verlegt. 1915 wurde ein Lazarett mit Isolierbaracke in Betrieb genommen. Diese Einrichtung stellte sich noch im gleichen Jahr auch als notwendig heraus. Im Dezember wurde bei einem russischen Gefangenen Cholera festgestellt. Von nun an mussten alle russischen Neuankömmlinge eine fünftägige Quarantäne in der Isolierbaracke durchlaufen. Am 28.08.1914 wurden 10000 Mann gezählt. Innerhalb eines Monates verdoppelte sich die Anzahl der Gefangenen. Dadurch kam es zu massiven Problemen in der städtischen Kläranlage, an welche das Lager angeschlossen war. Das Kriegsministerium entschied am 06.01.1915, die Kläranlage mittels biologischer Nachklärung und ausreichender Desinfektionseinrichtungen zu erweitern und zu verbessern. Die finanziellen Mittel wurden durch eine Erhöhung des Beitrages der Militärverwaltung auf 140000 Mark bereitgestellt. Im Lager befanden sich Franzosen, Belgier, Polen, Russen, Rumänen, Portugiesen und ab Ende 1917 auch Italiener, Turkus, Zuaven und Neger.

„Die Kriegsgefangenen wurden zur Verrichtung wichtiger und nutzbringender Arbeiten herangezogen, wie zum Straßen- und Wegebau, Planierungsarbeiten, Gewinnung von Kies aus der Heerdaer Kiesgrube, Wald- und Feldarbeiten. Die Arbeiten der Wegeanlage des sogenannten Franzosenwegs, der von der Straßengabelung Ohrdruf – Mühlberg – Arnstadt gegenüber Hühnerberg in das Birkig führt, wurde von gefangenen Franzosen ausgeführt, was in der Wegebezeichnung festgehalten ist.“ So die Chronik. Die Gefangenen wurden in der Hauptsache von Unternehmen verpflegt, durch die sie zu Arbeiten herangezogen wurden. Nur für eine geringe Anzahl mussten die Lagerkommandanten die Verpflegung in Selbstbewirtschaftung übernehmen. In den Kantinen wurde ausreichend Essen verabreicht, wofür ein Beitrag von ca. 60 Pf. bzw.1,10 Mark (bei Verwundeten) pro Kopf und Tag an die Kantinenpächter gezahlt werden musste. Auf Anforderung von Betrieben wurden die Kriegsgefangenen auch berufsmäßig eingesetzt und arbeiteten in Fabriken und auf den Feldern in der Region. In ihrer Freizeit beschäftigten sich die Gefangenen mit dem Reinigen und der Ausbesserung ihrer Kleidung. Es gab aber auch Zeit, um Fußball zu spielen. Es war gestattet, Karten in die Heimat zu schreiben, sich literarisch zu betätigen oder zu malen. Viele dieser Arbeiten und Beiträge wurden in den zwei in französischer Sprache herausgegebenen Lagerzeitungen veröffentlicht. Die Redaktion für die Zeitungen lag in den Händen von J. Nicolaus, einem französischen Militärpfarrer und Oberleutnant Lasswitz von der Kommandantur. Der Druck wurde von der hiesigen Druckerei Hermann Lucas ausgeführt. Allerdings wurden beide Zeitungen nach etwa einjähriger Laufzeit wieder eingestellt. Der Grund lag wohl darin, dass das Lager im Frühjahr 1916 durch den Einsatz der Gefangenen in Industrie und Landwirtschaft weitgehend leer war. Westlich und nordwestlich des damaligen Verpflegungssamtes der Garnison Ohrdruf war auch noch ein Zeltlager für Gefangene entstanden. 16 Zeltbaracken wurden auf dem Gelände des erst 1917 entstandenen Lazaretts aufgebaut. Chefarzt des Kriegsgefangenenlazarettes wurde 1915 Stabsarzt v. Eggeling.

Nach Kriegsende wurde der südliche Teil des Gefangenenlagers als Durchgangslager für deutsche Heimkehrer genutzt. Die im nördlichen Teil stehenden Baracken hat man ab 1919 zum Stückpreis von 30000 und 60000 Reichsmark verkauft. Die Stadt Ohrdruf erwarb dabei eine ganze Reihe von Mannschaftsbaracken und kaufte im Jahr 1921 drei Baracken, um sie als Wohnhäuser umzubauen und in der Crawinkler Straße aufzustellen. Diese Baracken sind auch heute noch bewohnt und leicht zu erkennen, wenn man auf der Straße von Ohrdruf nach Crawinkel fährt. Der durch das Reichswehrministerium im Juni 1920 angeordnete Abbruch der Restbaracken des Kriegsgefangenenlagers machte den Platz frei für Scharfschießen der Artillerie. Es wurde planiert und Fichten- und Kiefernbestände angepflanzt. Die Bäume hatten bis zur Errichtung des Nordlagers im Jahre 1940 bereits eine Höhe von etwa vier Metern erreicht.

Die Fortsetzung aus dem Thüringer Waldboten vom Freitag, 20. Februar 2004, Ausgabe: 8/04, Jahrgang:10

Die Geschichte eines Horrorlagers – TEIL 2

Wenn wir in diesem Zeitraum vom Nordlager sprechen, dann ist eigentlich das Infanterielager gemeint, mit dessen Bau 1940 begonnen wurde. An der gleichen Stelle, an der bis 1920 das Kriegsgefangenenlager stand, errichtete man nun einstöckige Holzbaracken auf Betonsockeln. Es entstanden 16 Mannschafts-, 2 Stabs- und 2 Wirtschaftsbaracken. Die Mannschaftsbaracken hatten die Abmaße von 42,50 m Länge und 12,50 m Breite. Daneben wurden noch 4 Abort- und 1 Wachgebäude errichtet. Auch ein Wagenschuppen und zwei Feuerlöschteiche entstanden. Ein Parkplatz, Grünflächen und Antretplätze wurden angelegt. Das Lager war ursprünglich für 1920 Mann vorgesehen. Es hatte aber nach Einrichtung eines Offiziersheims, eines Krankenreviers und eines Unterrichtsraumes, nur noch eine Belegungsstärke von 1714 Mann. Deshalb baute man später noch weitere 6 Mannschaftsbaracken und vier Schleppdächer an.

In alten Akten kann man lesen, dass bereits 1942 Kriegsgefangene im Nord- und Russenlager untergebracht wurden. Dies ist ein Fakt, der im Hinblick auf weitere Forschungen unseres Vereins sicher noch einmal besondere Beachtung finden sollte. Die Gefangenen wurden zu Arbeiten in verschiedenen Ohrdrufer Fabriken abgestellt. Doch war das schon alles? Hat man sie vielleicht auch schon unter Tage eingesetzt? Was befindet sich wirklich unter der Villa Mühlberg oder unter dem Großen Tambuch? Reine Spekulation, man weiß es nicht! Es sind bisher keine Unterlagen bekannt, aus denen hervorgeht, wie viele Gefangene während dieser Zeit überhaupt interniert waren. Das sogenannte Russenlager, dass wohl 1941/42 für russische Kriegsgefangene eingerichtet wurde, befand sich unweit vom Nordlager in der Hoppbachsenke und bestand aus 2 Mannschaftsbaracken, einem Küchengebäude, Sanitäranlagen und einer Wache. Am 04.11.1944 musste die Wehrmacht den TrÜbPl Ohrdruf räumen, die SS zog ein. Im Herbst des Jahres 1944 begann man, das Kriegsgefangenenlager Ohrdruf in ein KZ umzubauen. Erster Schritt war die Errichtung eines Drahtzaunes um das gesamte Lager, hierzu wurden die Gefangenen eingesetzt.

Das Kommando stand unter der Leitung des Kommandanten des KZ Buchenwald. SS-Standartenführer H. Pister kam mit den ersten Häftlingen aus Buchenwald nach Ohrdruf und begann damit das Lager als KZ herzurichten. Aus den Akten im Buchenwaldarchiv geht hervor, dass der erste Transport von 778 ungarischen Juden am 19.11.1944 in Ohrdruf eintraf. Dieser Transport und der nächste am 24.11.1944 mit 500 Ungarn, kamen aus dem KZ Sachsenhausen. Zwei Tage später trafen 1000 Juden verschiedener Nationen aus dem Lager Stutthof ein. Der größte Transport im Jahr 1944 kam am 13.12.1944 an und brachte 2498 KZ-Häftlinge nach Ohrdruf. Bis zum 31.01.1945 waren bereits etwa 11000 Menschen in den Baracken des Nordlagers und in einigen umgebauten Pferdeställen des Truppenlagers, dem sogenannten Südlager, zusammengepfercht. Viele ältere Ohrdrufer können sich noch an die langen Marschkolonnen erinnern, die vom Bahnhof zum Lager oder vom Lager zu den Arbeitseinsätzen zogen. Ihr Kommen wurde schon von weitem durch das Klappern der Holzschuhe und das Bellen der Hunde angekündigt. Es befanden sich im nordöstlich der Stadt gelegenen Lager S III viele tausend Häftlinge, die jeden Tag während endlos scheinender Zählappelle in verschiedene Arbeitskommandos aufgeteilt wurden und sich dann zur Arbeit schleppten oder wie z. B. im Falle der Baustelle Jonastal mit offenen Kleinbahnloren zur Arbeit gekarrt wurden. Im Jonastal, welches sich zwischen Crawinkel und Arnstadt befindet, wurde bis zur Räumung des Lagers Anfang April in drei, später in zwei Schichten gearbeitet. Es wurden Stollen in den Muschelkalk getrieben. Allerdings ist die Anzahl der dabei eingesetzten Häftlinge so hoch, dass man sich fragen muss, was wurde da alles gebaut. Es wurden Gleise verlegt, Kabel gezogen, Loren beladen und Material geschleppt, aber da kommt man noch lange nicht auf die Zahl 13726. Denn das war der Höchstbelegungsstand am 26.03.1945. Das heißt also, wenn man der offiziellen Geschichtsschreibung glauben will, man brauchte ca. 20000 Menschen, denn es kommen ja noch die Häftlinge aus den Lagern Crawinkel (Muna) und Espenfeld (Zeltlager) dazu, um ca. 3 km Stollen in einen Kalkberg zu treiben? Aber zurück zum Nordlager an der Hundsbrunner Straße. Im Februar oder März 1945 musste das Südlager geräumt werden, weil man wahrscheinlich für die unter Umständen bevorstehende Verlegung des OKH Raum brauchte. Die Häftlinge wurden nach Crawinkel in den Bunkern der MUNA und in einem Zeltlager bei Espenfeld untergebracht. In die Baracken des Nordlagers presste man immer mehr Häftlinge. Polen, Russen, Ungarn, Letten und Jugoslawen, auch Kriegsgefangene waren darunter. Ein Krankenlager musste eingerichtet werden, um die völlig geschwächten und erkrankten Menschen aufzunehmen.

Die Lebensbedingungen im KZ Ohrdruf verschlechterten sich von Woche zu Woche. Es gab wenig zu essen, kaum Ruhepausen und es wurde ständig geprügelt. Eine Tagesration für Stollenarbeiter bestand aus 250 g Brot, 25 g Margarine und knapp einem Liter dünne fleisch- und fettlose Rübensuppe. Anfangs wurden die Gefangenen mit LKW, Möbelwagen und Bussen zu den Baustellen im Jonastal gefahren. Später mussten sie laufen und mit der Kleinbahn fahren. Dort saßen sie in den Loren und krallten sich aneinander fest. Jeden Tag kamen Menschen auf diesen Transporten um. Sie fielen aus den Loren oder erfroren einfach. Ihre Bewacher waren SS-Männer aus der Ukraine, Ungarn, Rumänien und aus Deutschland. Angehörige der Landes-Baupionierbatallione 3 und 13, Technische Nothilfe und die Organisation Todt verrichteten hier ihren Dienst. Verantwortlich für das grenzenlose Leid der Häftlinge war aber SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Dr. Hans Kammler, der von Himmler als Chef des Baustabes eingesetzt wurde.

Anfang 1945 befanden sich mehr als 1000 dt. Zivilarbeiter und ca. 3000 SS- und Wehrmachtseinheiten im Lager und rund um Ohrdruf. Das Lager wurde jetzt als Außenlager S III von Buchenwald geführt. Ab Januar 1945 hieß der Kommandant des KZ Ohrdruf Edmund Bräuning. Er kam von Auschwitz über Ravensbrück nach Ohrdruf. Nach dem Krieg galt er als vermisst und konnte seiner Strafe entgehen. Der SS-Arzt Dr. Greunuß, der aus Buchenwald kam, war als Lagerarzt eingesetzt und befand wie Bräuning über Leben und Tod der Häftlinge. Greunuß wurde allerdings gefasst und verurteilt. Vor dem Untersuchungsausschuss antwortete er auf die Frage: „Welcher Prozentsatz der Insassen wurde getötet, während Sie in Ohrdruf anwesend waren?“ Antwort: „Ungefähr 15 – 20 Prozent.“

Ein anderer SS-Arzt spricht von über 33 Toten täglich. Man kann wohl davon ausgehen, dass im Zeitraum Anfang Oktober 1944 bis Ende März 1945, ca. 6000 – 7000 Häftlinge durch Entkräftung, Krankheit und Quälerei ums Leben kamen. Ein Teil der Toten wurde in der Umgebung des Nordlagers in Massengräbern bestattet. Andere wiederum transportierte die SS auf Lastkraftwagen nach Buchenwald, wo ihre Einäscherung erfolgte. Wie viele Häftlinge in der Schlussphase des Krieges noch liquidiert wurden, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Im Februar 1945 gingen drei Transporte mit insgesamt ca. 2900 völlig erschöpften Häftlingen ins Vernichtungslager nach Bergen-Belsen.

Als sich Anfang April die ersten amerikanischen Einheiten der Stadt Ohrdruf näherten, wurden die Häftlinge zusammengetrieben und kolonnenweise in Marsch gesetzt – mit diesem Todesmarsch versuchte die SS, die Menschen nach Buchenwald zu evakuieren. Schon ab 01.04.1945 wurden laufend Häftlinge in Kolonnen zu je 200 Mann in Marsch gesetzt. Am 04.04.1945 kam der Evakuierungsbefehl, die Kranken und Schwachen, die nicht mit konnten, wurden durch Genickschuss getötet oder einfach erschlagen. Ein eilig im Lager zusammengezimmertes Gestell aus Schienen und Holzbohlen wurde zur Verbrennung von Leichen benutzt um Spuren zu verwischen!

Gefangene, die während des Marsches verstarben, ließ man am Straßenrand liegen. Man kann davon ausgehen, dass fast 3000 Menschen in diesen Tagen umgebracht wurden. Vom 04.04. – 07.04.1945 trafen ungefähr 9900 Häftlinge aus dem Lager Ohrdruf im KZ Buchenwald ein.
Als am 04.04.1945 die ersten amerikanischen Einheiten der 89sten Infanteriedivision von General Patton das Lager fanden, sahen sie das pure Grauen. Der damalige Befehlshaber und spätere Präsident der USA, General Eisenhower, der am 11.04.1945 mit Patton und Bradley das KZ Ohrdruf besuchte, beschrieb es so: „Am selben Tag sah ich mein erstes Horrorlager. Es war in der Nähe der Stadt Gotha. Ich habe nie vermocht, meine Gefühle zu beschreiben, als ich zum ersten Mal mit dem unwiderlegbaren Zeugnis von nazistischer Brutalität und skrupelloser Missachtung jeder Spur von Anstand konfrontiert wurde. Bis dahin wusste ich davon nur allgemein oder aus Sekundärquellen. Ich kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass ich niemals zuvor oder später einen solchen Schock erlitten habe.“

Der damalige Bürgermeister von Ohrdruf (Schneider) beging, nachdem ihn die Amerikaner in das KZ geführt hatten, mit seiner Frau Selbstmord. Es ist nicht mehr genau nachvollziehbar, wie viele Menschen im Lager Ohrdruf und auf den umliegenden Baustellen zu Tode kamen. Es ist Aufgabe der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, dies herauszufinden. Ich persönlich denke dass man von mehr als 8000 Toten ausgehen muss.

Teil 3 Thüringer Waldbote – 05.03.2004

Sofort nach der Befreiung des KZ Ohrdruf richteten die Amerikaner auf dem Gelände des Truppenlagers ein Sammellager für Zwangsarbeiter ein. Es waren meist russische und polnische Männer und Frauen, die auf ihre Heimreise warteten. Die Ohrdrufer Bevölkerung wurde aufgefordert, Essgeschirre, Teller und Bestecke zu sammeln und auf den TrÜbPl zu bringen, weil dort nicht genügend zur Verfügung standen. Die Amerikaner versuchten alles unter Kontrolle zu halten, was ihnen aber nicht immer gelang, das war bei einer Anzahl von zehntausenden Lagerinsassen, die in dieser Zeit durch das ehemalige KZ geschleust wurden, auch fast unmöglich. Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde waren in Ohrdruf und Umgebung an der Tagesordnung.

Bis in den Juni hinein kam es immer wieder zu Beschwerden bei der provisorisch eingerichteten deutschen Verwaltung. Einer der bekanntesten Vorfälle ist die Ermordung des Besitzers von Gut Sophienbrunn. Herr Viau, der sein Gut in der Nähe des Nordlagers hatte, wurde ermordet weil er mit der SS sympathisierte. In den Baracken des befreiten KZ wurden die deutschen Gefangenen interniert, das „Camp Nr. 94“. Was im Nordlager vor sich ging, als am 3. Juli 1945 die Rote Armee den TrÜbPl übernahm, ist schlecht nachvollziehbar. Das Nordlager und das Russenlager wurden zwischen 1945 und 1953 fast völlig abgerissen. Außer Kanalisation, Fundamentresten und den beiden Feuerlöschteichen ist nichts mehr zu sehen, zumal auch die Natur alles überwuchert hat. Heute erinnert dort nur noch eine von der Bundeswehr aufgestellte Schautafel an dieses Objekt. Als Mahnmal für die vielen tausend Toten steht dort jetzt eine Glocke auf einem Gestell.

Nachtrag: Im vorigen Jahr wurde der Klöppel der Glocke von Unbekannten entwendet und die ausgestellten Bilder zum Nordlager aus dem Schaukasten entfernt. Schade, da wird es wohl bald keine Informationsmöglichkeiten vor Ort mehr geben.

Quellen:
– Stadtarchiv Ohrdruf
– Autorenkollektiv (1997) : Der Truppenübungsplatz Ohrdruf
– E. Kogon (1946) : Der SS-Staat
– D. Zeigert (2003) „Hitlers letztes Refugium“
– H. Raschke (2003) Das Außenkommando SIII und die Bauvorhaben im Jonastal
– Privatarchiv und Internet

Peter Schmidt

Wir möchten uns auch an dieser Stelle ganz herzlich bei Herrn Holger Borchmann aus Wölfis bedanken, der dem Verein einen Kartenschrank kostenfrei überließ.

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