Arnstadts Geheim-Mission von 2003 – Raketenbau Arnstadt – vom 30.12.2003

… sichelrich nicht ganz Ernst gemeint

(c) Freies Wort vom 30.12.2003

Arnstadts Geheim-Mission von 2003

VON THOMAS KLÄMT
Die Raumsonde Beagle 2 meldet sich nicht vom Mars. Was bisher keiner weiß: Die Arnstädter haben die Sonde gekidnapped und bereits seit dem Start in ihrer Gewalt. Selbst die ESA rätselt und ist noch völlig ahnungslos.
ARNSTADT – Lange geplant wurde der Coup von einer verschworenen Truppe Arnstädter, durch Bachs Kaffeekantate coffein-gedopt. Hintergrund: Nachdem im Vorjahr schon BMW in der Kreisstadt Investitionen absagte und in diesem Jahr die Edscha-Gruppe einen Rückzieher machte, zog die Arnstädter Obrigkeit die Notbremse – und versagte Beagle 2 die Landung auf dem Roten Planeten. Vorerst.

Denn es geht um größeres, um Groß-Investoren: Kleine grüne Männchen vom Roten Planeten mit mächtig viel gelbem Metall als Zahlungsmittel. Aber noch ist die Riesengewerbefläche vor Arnstadts Toren nicht erschlossen, muss die Infrastruktur dort erst vorbereitet werden. Würde Beagle 2 jetzt schon landen, könnte den kleinen grünen Männchen, der letzten Arnstädter Investoren-Hoffnung, noch gar keine Fläche angeboten werden. Arnstadts gewitztes Ringen um Neuansiedlungen wäre umsonst. Die Investoren vom Mars würden in Konkurrenzgebiete abwandern.

Und so haben die Arnstädter ihren Bürgermeister Richtung Mars geschossen, die Mission der ESA zu kontrollieren. Seit Monaten unterwegs, will er global als erster mit den Investoren sprechen. In Arnstadt regiert seitdem sein Double. Diese globalen Interessen auch sind der Grund, weshalb sich in diesem Jahr kein Verwaltungsrichter mehr wagte, des Bürgermeisters Wahl für ungültig zu erklären. Wie sollte vor Fern-Investoren argumentiert werden, wenn da womöglich der falsche in der Rakete sitzt. Die ganze Mission wäre gefährdet.

So wurde alles ganz geheim vorbereitet, um Arnstadt von der hohen Arbeitslosigkeit zu erlösen. Alle arbeiten Hand in Hand: Bürgermeister, Kirche und sogar Buchautoren. Streute doch gleich zu Beginn 2003 ein Literat namens Thomas Mehner Gerüchte um Raketenbau direkt in Arnstadt. Und es war kein Zufall, dass er zum Jahresende, kurz vor Beagle-Landung, noch einen draufsetzte, verblichene Zeugen auffuhr. Ganze Atomlabore, Interkontienentalraketen und ihre Bauteile sollen hier nur so rumliegen, verbuddelt seit 60 Jahren. Mit solch spektakulären Neuigkeiten wurden sämtliche Agenten fremder Mächte in Arnstadts Untergrund geschickt, so dass die Mars-Mission hoch oben ungehindert verlief. Kein Spitzel sorgt sich mehr um Beagle 2, den wahren Arnstädter Bürgermeister oder verschwundene Gelder, wo doch jetzt die Geschichte neu geschrieben werden soll.

Hilfe für die Mission gab auch die Kirche und das war bitter nötig. Denn unwissende Stadträte beschlossen 2003 zum Schreck der Mars-Missionäre jede zweite Straßenlaterne 2004 in Arnstadt abzuschalten – und das war diesmal keine Nebelbombe für Geheimdienste nach dem Motto „Wer erwartet schon Großes, wo kaum noch eine Leuchte leuchtet“. Doch die Kirchenvertreter verstanden es, in einer thüringenweit beachteten Aktion – als Weihnachtslicht getarnt – die nötige Großbeleuchtung einzufliegen. Anders, als mit einer global bedeutsamen Sache wäre es nicht durchsetzbar gewesen, dass ausgerechnet die Feuerwehr ein Feuer in mehreren Nachtwachen beschützt. Superintendent und fleißige Helfer wollen damit zu gegebener Zeit die Landebahn am Rande Arnstadts für Mars-Investoren und Bürgermeisterrückkehr taghell erleuchten: Es werde Licht!

Für den langen Flug vorbereitet hat Museumspädagogin Evamaria Hirsch den Stadtchef. Sinnvolle Spiele zum Zeitvertreib testete sie im Laufe des Jahres an Kindern, bevor dem Bürgermeister dann auch der historische Weltraumanzug aus dem deswegen zuvor aufgelösten Stadtgeschichtsmuseum mit auf die Reise gegeben wurde. Selbst die Sprengung des RFT-Schlots galt allein der Mars-Mission. Hier wurde die Sprengkraft für den Rückflug getestet. Alles klappte perfekt. Einbezogen in den Plan war auch CDU-Fraktionschef Jens Kupfer. Seine Fahrt zum Bundesverfassungsgericht nach Leipzig galt nicht etwa, dem Double des Bürgermeisters als möglicher Folgekandidat zur Seite zu stehen. Die Fahrt war kurzfristiger Test des überarbeiteten Satelliten-Navigationssystems Troll-Komplett. Und im Tierasyl züchtete Eckehard Dierbach eine lebendige Abwehrwaffe, sollten die Marsinvestoren doch weniger freundlich gesinnt sein: Der „Beagle-Igel“ hat die doppelte Stachel-Zahl und hält die ganze Reise über kostengünstigen Winterschlaf.

Schief gelaufen war dann aber doch eines: Die 1,2 Millionen-Mark-Vertuschungsaktion der Stadtverwaltung für die Mars-Mission flog durch einen überneugierigen Stadtrat auf, der doch in der Tat jede Ausgabe auf Heller und Pfennig erklärt haben wollte. Flugs tarnte der Bürgermeister die Summe als Kinderessenausgabe – was zum Glück bis heute keine weiteren Konsequenzen nach sich zog. Und weil der vorausschauende Stadtchef schon zeitig ahnte, dass die 1,2 bei Seite geschafften Millionen nicht reichen, sondern auch der Rückflug Geld kostet, wurde rechtzeitig die Mär von der Ersterwähnung Arnstadts erfunden. Die Original-Urkunde der Ersterwähnung vernichteten die Arnstädter schon vor Jahrhunderten. Die gefälschte Abschrift spricht zwar von arnestati; wo aber steht eigentlich arnestati auf dem Ortsschild der Kreisstadt? Die Sache stinkt förmlich zum Himmel. Und für selbigen – bzw. die vermeintliche Jahrfeier – gab es dann nochmal 300000 Euro Nachschub. Und: weniger unauffällig als zu solch riesigem Event lassen sich kaum tausende Leute, die das Großgewerbegebiet schnell erschließen müssen, in eine Stadt bringen. Die da 2004 getarnt als Jubiläumsgäste kommen, sind keine anderen als Bauleute, Kanalbauer und Baggerfahrer. Natürlich verbietet sich bei soviel Geheimhaltung jeglicher Funkverkehr hinauf zu Beagle 2.

Wie aber dann Signal geben, wenn die Großfläche fertig ist und die außerirdischen Investoren kommen können? Hier wusste ebenfalls die Kirche Rat. Nicht umsonst wurde Pfarrer Jürgen Friedrich 2003 Kirchenrat. Auf seinem Vorschlag beruht die Idee, das Raumschiff durch Glocken zu kontaktieren. Und so startete das Kuratorium Liebfrauenkirche 2003 die Spendenaktion für Weitklangglocken. Sie sollen durch ihr Klingen das Aufbruch-Signal für die Mars-Investoren geben. Noch weiß allerdings niemand, ob der Klang der Glocken tatsächlich so weit reicht, oder Beagle 2 für immer dort oben kreisen wird…

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