TA-SERIE (12): Zum 50. Jahrestag der Befreiung

FOLGE 12: Mit dem Näherkommen der Befreier wurde die Ungewißheit über das Morgen bei der Zivilbevölkerung immer größer. Unmittelbar vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Ilmenau verstärkte sich das gezielte Artilleriefeuer. Einschläge am Zechenhaus auf der Sturmheide in eine Akazie, im Gäßchen in eine Jauchegrube, in der Wörthstraße, in der Langewiesener Straße und in der Innenstadt. Rolf Günsch, ein Schulkamerad von mir, wurde mit seiner Familie getötet, eine Tante, die mit ihren Kindern aus Berlin nach Ilmenau geflüchtet war, um den dortigen Bomben zu entgehen in der Langewiesener Straße gemeinsam mit den Besitzern der Fleischerei Reinhardt buchstäblich zerrissen.

Während der Sperrstunden, als die Amerikaner bereits in der Stadt waren, wurden die Opfer beigesetzt. Der Befreiungstag selbst, ein warmer Frühlingstag, erlebte noch einmal einen Schußwechsel. Die amerikanischen Verbände, die zum großen Teil über Schmücke und Mönchhof nach Ilmenau vordrangen, hatten an der sogenannten Kiesgrube oberhalb des Hangeberges mit ihren Panzern angehalten. Vor ihnen lag die Stadt. Sie luden durch und schossen. Genau gegenüber, etwa in Höhe des Kriegerdenkmales Unterpörlitz nahm ein deutscher Panzerspähwagen den amerikanischen Panzer ins Visier. Die Granate durchschlug die Panzerung. Der Panzer brannte weithin sichtbar aus, die amerikanischen Soldaten wurden zerrissen. Einzelschicksale, die auch noch heute nachklingen, wenn wir die Soldatengräber am Mordfleck, an der Schmücke, an den zwei Wiesen und nahe des Dreiherrnsteins, denen sich die deutsche Kriegsgräberfürsorge angenommen hat, sehen. Hinzu kommen die Gedenksteine für zwei unbekannte ermordete Häftlinge auf dem Friedhof in Heyda, das Grabmal für fünf unbekannte KZ-Häftlinge auf dem neugestalteten Ehrenfriedhof Ilmenau und ein bisher kaum wahrgenommener Stein am Ascherofen an der Gabelbachstraße, der acht Opfern gewidmet ist, die im April 1945 hier erschossen wurden.

G. REMDT

Die Artikelserie von Gerhard Remdt, bestehend aus 21 Folgen zum 50. Jahrestag der Befreiung, erschien 1995 in der Thüringer Allgemeinen. Datum bisher nicht genau ermittelbar.

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