TA-SERIE (6): Zum 50. Jahrestag der Befreiung

FOLGE 6: Während feststeht, daß die Häftlinge aus dem Lager Crawinkel vornehmlich beim Stollenbau im Jonastal, die aus dem Zeltlager Espenfeld beim Brücken- und Wegebau zum Einsatz kamen, konnte bis heute nicht geklärt werden, wo die Häftlinge des Nordlagers zu Tode geschunden wurden. Oberst Zeigert, bis Dezember 1994 Kommandeur im Verteidigungsbezirk 71 und damit auch zuständig für den Truppenübungsplatz Ohrdruf, hat sich sehr verdient gemacht bei der Erforschung der Geschichte des Platzes, zweifelt aber ebenso, schon wegen der räumlichen Entfernung, den Einsatz der Häftlinge des Nordlagers im Jonastal an. Es kann nicht Aufgabe dieser Serie sein, die Greuel wiederzugeben, die hier angerichtet wurden. Andere Publikationen, wie auch mein Buch „Rätsel Jonastal“ (Vh, Links Verlag Berlin 1992) haben das bereits in einem gewissen Umfang getan. Zur Feier der Landesregierung anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, zu der ehemalige Häftlinge gleichermaßen wie amerikanische Soldaten und Offiziere eingeladen sind, wird es so manches Wiedersehen geben. Viele der Veteranen sind verstorben, die meisten erinnern sich nach einer relativ so langen Zeit kaum noch an Details, die heute von großem Interesse sind. Bundeswehr und Bundesvermögensamt sind so für jeden Hinweis dankbar, der es ermöglicht, die über 20 Massengräber auf dem Truppenübungsplatz genau bestimmen und die Zahl der hier Beigesetzten erfassen zu können. 50 Jahre sind seit den Apriltagen 1945 ins Land gezogen.

Bis heute weiß keiner, ob in dem großen Massengrab am Eingang des Nordlagers 5000 Häftlinge bestattet wurden, wie die Russen angaben. Keiner der Soldaten der 89. Infanterie-Division, die zur 3. Armee General Pattons gehörend, Ohrdruf und andere Thüringer Orte eroberten, kann den Raum eingrenzen, wo sie Berge von Leichen fanden und schon gar nicht, wo sie beigesetzt wurden. Außer dem Ehrenmal bei Espenfeld und im Jonastal sowie Gedenkstätten entlang des Todesmarsches ist nichts geblieben. Wie soll die Jugend von heute verstehen, was war, wenn die Gedenkstätte im Jonastal laufend geschändet wird? Woher soll sie wissen, wo das Nord- und Südlager seinen Standort hatte, wo sich das Lager Crawinkel befand? Keine Tafel mit Erläuterungen in unserer sonst so schilderfreundlichen Umwelt. Und dann verpaßte Chancen: Im Herbst 1994 fuhr an der Wache am Truppenübungsplatz Ohrdruf eine junge Frau vor. Gemeinsam mit ihr entstieg ein älterer Herr, der sich aufmerksam umsah. Der Posten unterhielt sich mit ihm, staunte über dessen Sachkenntnisse, hörte von Fotos von damals, sah sich dem Fahrer von General Patton gegenüber. Sinngemäßer Eintrag im Wachbuch: Amerikanischer Bürger wollte TÜP besichtigen. Weiter nichts, keine Adresse – nichts!

G. REMDT

Die Artikelserie von Gerhard Remdt, bestehend aus 21 Folgen zum 50. Jahrestag der Befreiung, erschien 1995 in der Thüringer Allgemeinen. Datum bisher nicht genau ermittelbar.

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